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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 4) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62337#0308
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Michelangelo da Caravaggio.
Der neuen religiösen Richtung wohnt ein ausgesprochen sinnliches Element inne, und dies
findet auch in der damaligen italienischen Malerei Ausdruck, in der schroffen naturalistischen Rich-
tung, welche sich gleichzeitig mit der eklektischen entwickelt. Der zuerst tonangebende Künstler ist
Michelangelo da Caravaggio, so genannt nach dem Orte im Mailändischen, an dem er im
Jahre 1569 geboren war, sein Familienname lautet Merigi, sein Vater war ein Maurer. Dieser
nahm den Knaben als seinen Lehrburschen mit nach Neapel, wo er öfters den Malern die Wände
für ihre Fresken herzurichten Hatte. Da bekam er Lust zum Malen, ohne eigentlichen Lehrmeister,
als reiner Autodidakt eignete er sich die künstlerische Technik an, ein paar Jahre lang versuchte er
sich als Portraitmaler in Mailand, dann ging er nach Venedig, wo Giorgione's Arbeiten den
entscheidenden Einfluß auf ihn ausübten und er sich durch anhaltendes Studium zu einem aus-
gezeichneten Coloristen ausbildete.
Hierauf ließ er sich in Rom nieder, fand aber keine Aufträge und sah sich daher, von Noth
getrieben, bald gezwungen, einem der landläufigen Manieristen unter den dortigen Malern, dem
beliebten Bilderfabrikanten Cavaliere Giuseppe Cesare d' Arpino, seine Dienste zu leihen.
Hier wurde er mit der Ausführung decorativer Nebendinge beschäftigt, aber diese Abhängigkeit
konnte sein ungestümer Geist auf die Dauer nicht ertragen. Er begann wieder seinen eigenen Weg
zu gehen, eröffnete in Gemeinschaft mit einem andern Kunstgenoffen eine gewöhnliche Malerbude,
verkaufte schnell gearbeitete, oft höchst rohe, doch vielfach packende Bilder um einen geringen Preis
und schlug sich auf diese Weise, im Kampfe mit Mangel und Entbehrungen, durch. Zunächst be-
gann ein französischer Kunsthändler ihn zu unterstützen, dann der Cardinal del Monte, der ihn in
sein Haus nahm.
Mittlerweile waren aber auch die Carracci und ihr Anhang in Rom eingedrungen, ihre Rich-
tung und diejenige Caravaggio's, wenn auch von einander noch so verschieden, arbeiteten sich gegenseitig,
doch in die Hände, stellten wenigstens nach und nach den im Absterben begriffenen Manierismus
in Schatten.
Carravaggio's Ziel war, die Wirklichkeit, deren sich die Manieristen entwöhnt Hatten, voll und
ganz zu geben. „Bagatell und Possenwerk" — wie Sandrart mittheilt — „nannte er Alles, was
nicht nach dem Leben gemalt war." Er arbeitete direct nach dem Modell, das er in schlagender
Treue wiedergab, und das er durch das geschlossene Licht, in welchem er Gestalten und Gruppen
stets erscheinen ließ, um so plastischer und wirklicher heraustreten ließ. Die schroffen Gegensätze
zwischen Licht und Schatten geben der Gesammterscheinung etwas Düsteres. Lanzi sagt, es sei,
als bewegten seine Figuren sich im Kerker, so schneidend scharf heben sie sich von dem dunklen
Hintergründe ab. Sein Colorit ist tiefernst gestimmt, aber es Hat Haltung, hat eine damals
unerhörte Einheit; kräftige Töne überwiegen, das Conventionelle ist überwunden, das Studium
Giorgione's hat seine Wirkung nicht verfehlt. Aber während bei den Venetianern die Farbe den
Schein eines beruhigten, idealen Daseins Hervorrust, ist sie bei Caravaggio, wie Kugler sagt,^„in

Deutschlands Kunstschätze IV.

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