Guido Reni.
In persönlicher Anlage wie in künstlerischer Begabung steht Niemand zu Domenichino in
so ausgesprochenem Gegensätze, wie sein Genosse und Freund Guido Reni. War Jener einfach,
bescheiden und zurückhaltend, so entfaltete Dieser eine Fülle der liebenswürdigsten und glänzendsten
Eigenschaften, die ihm überall Thor und Thür öffneten. Kam jener bei aller künstlerischen Tüch-
tigkeit und allem Ernst des Strebens doch erst mühsam zur Geltung, so besaß Guido dagegen dis
Fähigkeit, augenblicklich zu wirken und zu gewinnen.
Er war der Sohn eines Musikers und ward am 4. November 1575 in Bologna geboren.
Anfangs lernte auch er in der Werkstätte von Calvaert und machte hier bald so entschiedene
Fortschritte, daß ihn der Meister als seinen besten Helfer in der Unterweisung anderer Schüler
verwendete. Dann, kaum zwanzig Jahre all, trat er in die Akademie der Carracci über. Er
war ein schöner Jüngling, den Worten des Lodovico Carracci zufolge, wie ein Engel anzuschauen,
zugleich so bescheiden, daß er über jedes Lob erröthete. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts
ging er mit Annibale Carracci nach Rom, wählte hier aber bald als selbständiger Meister seinen
eigenen Weg. Die Arbeiten Caravaggio's machten großen Eindruck auf ihn, er versuchte in vielen
Beziehungen Diesem nachzueifern, bildete sich zu einem kühnen, sicheren Beobachter, einem kräftigen
Coloristen und einem Meister in der Lichtwirkung aus. Er versuchte es, die Naturalisten mit ihren
eigenen Waffen zu überwinden und kam mitunter dem Caravaggio ganz nahe, zu großem Ver-
druß des Cavaliere d' Arpino, der anfangs in ihm einen Parteigenossen gesehen Hatte, des
Annibale Carracci und am meisten des Caravaggio selbst.
Hauptwerke dieser Richtung sind die heiligen Paulus und Antonius in der Berliner
Galerie, die wilde, leidenschaftliche und gräßliche Kreuzigung Petri in der Galerie des Vaticans
und namentlich — bereits reifer und edler — die Madonna della pietü in der Pinakothek
zu Bologna (1616). Der Leichnam Christi liegt auf der Bahre ausgestreckt, Maria steht hinter
ihm, gen oben blickend, die Hände ineinanvergeflochten; zwei schöne weinende Engel, von denen
einer ein Tuch vor die Augen hält, runden die Gruppe ab, die von einem wunderbaren, allerdings
fast an das Theatralische streifenden Pathos ist. Seltsamerweise hängt dieser ganze Vorgang wie
auf ein Tuch gemalt über den unten, als wirkliche Gestalten Hingesetzten Schutzheiligen der Stadt
Bologna, echt plastischen, wundervoll modellirten Figuren von großartiger Auffassung, mitunter
freilich mit einem Ausdruck verschwimmender, unnatürlicher Ekstase, die uns eben so widerlich wie
die zahlreichen Marterbilder dieser Zeit berührt und der Empfindungsweise einer vom jesuitischen
Geiste beherrschten Epoche angehört. Der Zeit, nicht dem Künstler gilt es, wenn Goethe bei Ge-
legenheit dieses Bildes ausrust: „Entweder Missethäter oder Verzückte, Verbrecher oder Narren!"
Vollständig geläutert erscheint Guido's Realismus in dem großen Frescobilde „Phoebus
und Aurora, an der Decke des Gartensaales vom Palazzo Rospigliosi zu Rom. Kräftig,
vielleicht für die Bestimmung etwas zu schwer im Colorit, voll Formgefühls, stilvoller Würde und
reinem Schönheitssinn, ist das vielleicht das beste italienische Gemälde der ganzen Epoche und er-
scheint wie der Nachklang einer bessern Zeit.
Nachdem Guido etwa zwei Jahrzehnte in Rom gelebt, verließ er diese Stadt plötzlich einer
Kränkung wegen, die seine stolze Natur empfindlich berührte. Er war mit einem Altarbilde für
die Peterskirche beauftragt worden und hatte vierhundert Scudi in voraus erhalten, als er aber
In persönlicher Anlage wie in künstlerischer Begabung steht Niemand zu Domenichino in
so ausgesprochenem Gegensätze, wie sein Genosse und Freund Guido Reni. War Jener einfach,
bescheiden und zurückhaltend, so entfaltete Dieser eine Fülle der liebenswürdigsten und glänzendsten
Eigenschaften, die ihm überall Thor und Thür öffneten. Kam jener bei aller künstlerischen Tüch-
tigkeit und allem Ernst des Strebens doch erst mühsam zur Geltung, so besaß Guido dagegen dis
Fähigkeit, augenblicklich zu wirken und zu gewinnen.
Er war der Sohn eines Musikers und ward am 4. November 1575 in Bologna geboren.
Anfangs lernte auch er in der Werkstätte von Calvaert und machte hier bald so entschiedene
Fortschritte, daß ihn der Meister als seinen besten Helfer in der Unterweisung anderer Schüler
verwendete. Dann, kaum zwanzig Jahre all, trat er in die Akademie der Carracci über. Er
war ein schöner Jüngling, den Worten des Lodovico Carracci zufolge, wie ein Engel anzuschauen,
zugleich so bescheiden, daß er über jedes Lob erröthete. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts
ging er mit Annibale Carracci nach Rom, wählte hier aber bald als selbständiger Meister seinen
eigenen Weg. Die Arbeiten Caravaggio's machten großen Eindruck auf ihn, er versuchte in vielen
Beziehungen Diesem nachzueifern, bildete sich zu einem kühnen, sicheren Beobachter, einem kräftigen
Coloristen und einem Meister in der Lichtwirkung aus. Er versuchte es, die Naturalisten mit ihren
eigenen Waffen zu überwinden und kam mitunter dem Caravaggio ganz nahe, zu großem Ver-
druß des Cavaliere d' Arpino, der anfangs in ihm einen Parteigenossen gesehen Hatte, des
Annibale Carracci und am meisten des Caravaggio selbst.
Hauptwerke dieser Richtung sind die heiligen Paulus und Antonius in der Berliner
Galerie, die wilde, leidenschaftliche und gräßliche Kreuzigung Petri in der Galerie des Vaticans
und namentlich — bereits reifer und edler — die Madonna della pietü in der Pinakothek
zu Bologna (1616). Der Leichnam Christi liegt auf der Bahre ausgestreckt, Maria steht hinter
ihm, gen oben blickend, die Hände ineinanvergeflochten; zwei schöne weinende Engel, von denen
einer ein Tuch vor die Augen hält, runden die Gruppe ab, die von einem wunderbaren, allerdings
fast an das Theatralische streifenden Pathos ist. Seltsamerweise hängt dieser ganze Vorgang wie
auf ein Tuch gemalt über den unten, als wirkliche Gestalten Hingesetzten Schutzheiligen der Stadt
Bologna, echt plastischen, wundervoll modellirten Figuren von großartiger Auffassung, mitunter
freilich mit einem Ausdruck verschwimmender, unnatürlicher Ekstase, die uns eben so widerlich wie
die zahlreichen Marterbilder dieser Zeit berührt und der Empfindungsweise einer vom jesuitischen
Geiste beherrschten Epoche angehört. Der Zeit, nicht dem Künstler gilt es, wenn Goethe bei Ge-
legenheit dieses Bildes ausrust: „Entweder Missethäter oder Verzückte, Verbrecher oder Narren!"
Vollständig geläutert erscheint Guido's Realismus in dem großen Frescobilde „Phoebus
und Aurora, an der Decke des Gartensaales vom Palazzo Rospigliosi zu Rom. Kräftig,
vielleicht für die Bestimmung etwas zu schwer im Colorit, voll Formgefühls, stilvoller Würde und
reinem Schönheitssinn, ist das vielleicht das beste italienische Gemälde der ganzen Epoche und er-
scheint wie der Nachklang einer bessern Zeit.
Nachdem Guido etwa zwei Jahrzehnte in Rom gelebt, verließ er diese Stadt plötzlich einer
Kränkung wegen, die seine stolze Natur empfindlich berührte. Er war mit einem Altarbilde für
die Peterskirche beauftragt worden und hatte vierhundert Scudi in voraus erhalten, als er aber