Masaccio.
Während Fra Angelico seine Fresken in San Marco schuf, hatte bereits der Geist der
neueren Kunst auf dem Boden von Florenz in der Malerei gesiegt. Wie langsam und allmälig sich
auch gewöhnlich große geistige Wandlungen vorbereiten, so bedarf es doch meistens bestimmter Im-
pulse, um sie schließlich zum Durchbruch kommen zu lassen. Die Architektur der Renaissauce
begann mit der Versammlung fremder Baumeister in Florenz, auf welche Filippo Brunelleschi
im Jahre 1420 seinen Ideen über den Weiterbau der Domkuppel den Sieg verschaffte, die Plastik
mit der Concurreuz für die Thür des Baptisteriums, bei welcher Lorenzo Ghiberti im Jahre
1401 den Preis gewann, die Malerei mit Masaccio's Gemälden in der Kapelle Brancacci.
„Masaccio" ist ein aus dem Vornamen Maso (Thomas) gebildeter Spottname, der etwa so
viel wie „Tölpel Thomas" besagt. Der Maler hieß eigentlich Tommaso Di Ser Giovanni, das
heißt Sohn des Notars Giovanni, und war in dem kleinen Orte San Giovanni im Arnothal
geboren, um das Jahr 1402, wie aus einem spätern Document mit Altersangabe hervorgeht.
Am 7. Januar 1421 wurde er zu Florenz in die Gilde der Aerzte und Apotheker eingetragen, im
Jahre 1423 aber in die Rolle der Maler. Sein Meister war der in Florenz ansässige Maso-
lino da Panicale, so genannt von einem Orte im obern Arnothal, der zur Gemeinde von Ma-
saccio's Heimat San Giovanni gehörte. Der Meister und der Schüler sind vielfach mit einander
verwechselt worden; Vasari schrieb dem Erstern manche Arbeiten von dem Zweiten zu und umge-
kehrt. Nicht nur die persönliche Verbindung zwischen ihnen, sondern auch die Uebereinstimmung
des Namens bot zu solchen Jrrthümern Veranlassung, denn „Masolino" ist eben so gut wie „Ma-
saccio" von „Maso" gebildet, nur daß es ein Kosename ist und eine freundlichere Bedeutung hat.
Nach neueren Forschungen kann man aber als gesichert annehmen: die Fresken der Katharinen-
kapelle in der Kirche San Clemente zu Rom, jedenfalls vor 1420 vollendet, sind nicht von Masaccio,
sondern von Masolino Der damalige Cardinal von San Clemente, Branda Castiglione aus
Mailand, welcher diese Bilder gestiftet hatte, ließ hierauf Masolino nach Castiglione d'Olona,
zwischen dem Comersee und dem Lago Maggiore kommen, um den Chor der von ihm gestifteten
Collegiatkirche daselbst zu malen. Um 1425, nach Vollendung der Deckenbilder, wurde Masolino
nach Ungarn gerufen. Vielleicht, daß nun damals sein Schüler Masaccio für ihn eintrat und die
Wandbilder unter jenen Deckengemälden ausführte, die bereits einen weiter fortgeschrittenen Cha-
rakter zeigen. Masaccio allein tritt uns dann in der Kirche del Carmine zu Florenz entgegen, wo
er — trotz Vasari's Angabe — ohne Theilnahme des Masolino die Kapelle der Familie Brancacci
walte. Dieser Cyklus mittelmäßig erhaltener Wandgemälde ist heute das Einzige, was sich mit
voller Bestimmtheit auf ihn zurückführen läßt, denn andere Werke, welche Vasari nennt, namentlich
Staffeleibilder, lassen sich nicht mehr nachweisen. Aber die Fresken der Brancacci-Kapelle reichen
hin, um Masaccio's bahnbrechende Stellung in der italienischen Malerei darzulegen.
Das neue Verhältniß zur Natur, welche in erster Linie für die moderne Kunstauffasfung
bestimmend ist, tritt bei Masaccio in voller Klarheit und Kraft auf. Hatte Giotto, bei uuvoll-
kommener Kenntniß der Form, sein Ziel in der innern Wahrheit der Auffassung, in der Bewälti-
gung des geistigen Elements in allen Motiven gesucht, so war sich Masaccio darüber klar, daß die
Deutschlands Kunstschatze iv,
Während Fra Angelico seine Fresken in San Marco schuf, hatte bereits der Geist der
neueren Kunst auf dem Boden von Florenz in der Malerei gesiegt. Wie langsam und allmälig sich
auch gewöhnlich große geistige Wandlungen vorbereiten, so bedarf es doch meistens bestimmter Im-
pulse, um sie schließlich zum Durchbruch kommen zu lassen. Die Architektur der Renaissauce
begann mit der Versammlung fremder Baumeister in Florenz, auf welche Filippo Brunelleschi
im Jahre 1420 seinen Ideen über den Weiterbau der Domkuppel den Sieg verschaffte, die Plastik
mit der Concurreuz für die Thür des Baptisteriums, bei welcher Lorenzo Ghiberti im Jahre
1401 den Preis gewann, die Malerei mit Masaccio's Gemälden in der Kapelle Brancacci.
„Masaccio" ist ein aus dem Vornamen Maso (Thomas) gebildeter Spottname, der etwa so
viel wie „Tölpel Thomas" besagt. Der Maler hieß eigentlich Tommaso Di Ser Giovanni, das
heißt Sohn des Notars Giovanni, und war in dem kleinen Orte San Giovanni im Arnothal
geboren, um das Jahr 1402, wie aus einem spätern Document mit Altersangabe hervorgeht.
Am 7. Januar 1421 wurde er zu Florenz in die Gilde der Aerzte und Apotheker eingetragen, im
Jahre 1423 aber in die Rolle der Maler. Sein Meister war der in Florenz ansässige Maso-
lino da Panicale, so genannt von einem Orte im obern Arnothal, der zur Gemeinde von Ma-
saccio's Heimat San Giovanni gehörte. Der Meister und der Schüler sind vielfach mit einander
verwechselt worden; Vasari schrieb dem Erstern manche Arbeiten von dem Zweiten zu und umge-
kehrt. Nicht nur die persönliche Verbindung zwischen ihnen, sondern auch die Uebereinstimmung
des Namens bot zu solchen Jrrthümern Veranlassung, denn „Masolino" ist eben so gut wie „Ma-
saccio" von „Maso" gebildet, nur daß es ein Kosename ist und eine freundlichere Bedeutung hat.
Nach neueren Forschungen kann man aber als gesichert annehmen: die Fresken der Katharinen-
kapelle in der Kirche San Clemente zu Rom, jedenfalls vor 1420 vollendet, sind nicht von Masaccio,
sondern von Masolino Der damalige Cardinal von San Clemente, Branda Castiglione aus
Mailand, welcher diese Bilder gestiftet hatte, ließ hierauf Masolino nach Castiglione d'Olona,
zwischen dem Comersee und dem Lago Maggiore kommen, um den Chor der von ihm gestifteten
Collegiatkirche daselbst zu malen. Um 1425, nach Vollendung der Deckenbilder, wurde Masolino
nach Ungarn gerufen. Vielleicht, daß nun damals sein Schüler Masaccio für ihn eintrat und die
Wandbilder unter jenen Deckengemälden ausführte, die bereits einen weiter fortgeschrittenen Cha-
rakter zeigen. Masaccio allein tritt uns dann in der Kirche del Carmine zu Florenz entgegen, wo
er — trotz Vasari's Angabe — ohne Theilnahme des Masolino die Kapelle der Familie Brancacci
walte. Dieser Cyklus mittelmäßig erhaltener Wandgemälde ist heute das Einzige, was sich mit
voller Bestimmtheit auf ihn zurückführen läßt, denn andere Werke, welche Vasari nennt, namentlich
Staffeleibilder, lassen sich nicht mehr nachweisen. Aber die Fresken der Brancacci-Kapelle reichen
hin, um Masaccio's bahnbrechende Stellung in der italienischen Malerei darzulegen.
Das neue Verhältniß zur Natur, welche in erster Linie für die moderne Kunstauffasfung
bestimmend ist, tritt bei Masaccio in voller Klarheit und Kraft auf. Hatte Giotto, bei uuvoll-
kommener Kenntniß der Form, sein Ziel in der innern Wahrheit der Auffassung, in der Bewälti-
gung des geistigen Elements in allen Motiven gesucht, so war sich Masaccio darüber klar, daß die
Deutschlands Kunstschatze iv,