Wildschweins-Jagd.
Von Peter Paul Rubens.
Das alte Antwerpen Hatte im Frühlinge des Jahres 1596 einige stürmische Tage erlebt
Die Parteien hatten sich gesondert und standen einander gegenüber; es war zu blutigen Auftritten
gekommen, in denen die nationale Partei gegen die dem tyrannischen Königshause von Spanien
anhängende das Uebergewicht behauptete. Um die katholische Partei vollends niederzudrücken,
erschien der Statthalter, Oranien, selbst und streckte über die Stadt seine schon damals eiserne
Hand aus. Es ward in den Straßen, wo sonst bis Mitternacht reges Leben zu herrschen pflegte,
jetzt mit dem Eintritte der Dämmerung öde und leer, denn Jeder mußte sich den Kriegerhäuslein,
welche die Straßen durchzogen, als in Geschäften befindlich ausweisen, außerdem aber eine
ordentliche Laterne bei sich führen. Um ein Viertel nach zehn Uhr waren alle Häuser stockfinster:
es war Befehl des Feldherrn, die Lichter zu löschen, und wehe den Unbesonnenen, welche etwa nicht
gehorcht Hätten.
An einem Abende nach elf Uhr durchzogen die Wachen in Abtheilungen von zwölf Mann hoch
zu Roß, geharnischt, für den Nothfall mit Stricken versehen, um die eingefangenen widerfpenstigen
oder muthmaßlichen Verbrecher sofort henken zu können, die schweigenden Straßen. Der Husschlag
der Pferde erdröhnte, die Eisenrüstungen und Schwerter der Mannen klirrten und Anrufe der
einander begegnenden Patrouillen und kriegerische Commando's erschallten. Das Wetter war höchst
unfreundlich. Der Sturm fegte die Straßen, und ein feiner, aber dichter Regen veranlaßte die
Reiter Oraniens, den Kopf zu den Mähnen ihrer Thiere herabzuneigen und die Mäntel hoch empor-
zuziehen. Sie, wenigstens, hätten schwerlich einen Einzelnen bemerkt, wenn er ohne Laterne an
den Häusern fortgeschlüpft wäre.
Der Führer einer dieser Abtheilungen jedoch bekümmerte sich um das wahrhaft nieder-
ländische Wetter nicht. Er hatte den mit einer Stahlhaube bedeckten Kopf stolz erhoben und ließ
seine Augen jeden Winkel durchspähen. Unermüdlich ritt er von einer Straße in die andere, trieb
sein Pferd durch enge, verdächtige Gäßchen und schien durchaus nicht geneigt, heute seine Wache
vor dem zukünftigen Sonnenaufgänge zu beschließen.
Die Soldaten murrten untereinander.
„Ich möchte nur wissen, was er eigentlich sucht heute Nacht. Mitternacht ist ganz gewiß
schon vorüber"; sagte der vorderste Reiter im Zuge zu seinem dicht neben ihm reitenden Kameraden.
„Der"? antwortete dieser; „nichts, verlaß Dich d'rauf. Du kannst es ihm ansehen, daß er
gar nicht daran denkt, daß wir hier in diesem Seehundswetter spazieren reiten. Den Spanier
Von Peter Paul Rubens.
Das alte Antwerpen Hatte im Frühlinge des Jahres 1596 einige stürmische Tage erlebt
Die Parteien hatten sich gesondert und standen einander gegenüber; es war zu blutigen Auftritten
gekommen, in denen die nationale Partei gegen die dem tyrannischen Königshause von Spanien
anhängende das Uebergewicht behauptete. Um die katholische Partei vollends niederzudrücken,
erschien der Statthalter, Oranien, selbst und streckte über die Stadt seine schon damals eiserne
Hand aus. Es ward in den Straßen, wo sonst bis Mitternacht reges Leben zu herrschen pflegte,
jetzt mit dem Eintritte der Dämmerung öde und leer, denn Jeder mußte sich den Kriegerhäuslein,
welche die Straßen durchzogen, als in Geschäften befindlich ausweisen, außerdem aber eine
ordentliche Laterne bei sich führen. Um ein Viertel nach zehn Uhr waren alle Häuser stockfinster:
es war Befehl des Feldherrn, die Lichter zu löschen, und wehe den Unbesonnenen, welche etwa nicht
gehorcht Hätten.
An einem Abende nach elf Uhr durchzogen die Wachen in Abtheilungen von zwölf Mann hoch
zu Roß, geharnischt, für den Nothfall mit Stricken versehen, um die eingefangenen widerfpenstigen
oder muthmaßlichen Verbrecher sofort henken zu können, die schweigenden Straßen. Der Husschlag
der Pferde erdröhnte, die Eisenrüstungen und Schwerter der Mannen klirrten und Anrufe der
einander begegnenden Patrouillen und kriegerische Commando's erschallten. Das Wetter war höchst
unfreundlich. Der Sturm fegte die Straßen, und ein feiner, aber dichter Regen veranlaßte die
Reiter Oraniens, den Kopf zu den Mähnen ihrer Thiere herabzuneigen und die Mäntel hoch empor-
zuziehen. Sie, wenigstens, hätten schwerlich einen Einzelnen bemerkt, wenn er ohne Laterne an
den Häusern fortgeschlüpft wäre.
Der Führer einer dieser Abtheilungen jedoch bekümmerte sich um das wahrhaft nieder-
ländische Wetter nicht. Er hatte den mit einer Stahlhaube bedeckten Kopf stolz erhoben und ließ
seine Augen jeden Winkel durchspähen. Unermüdlich ritt er von einer Straße in die andere, trieb
sein Pferd durch enge, verdächtige Gäßchen und schien durchaus nicht geneigt, heute seine Wache
vor dem zukünftigen Sonnenaufgänge zu beschließen.
Die Soldaten murrten untereinander.
„Ich möchte nur wissen, was er eigentlich sucht heute Nacht. Mitternacht ist ganz gewiß
schon vorüber"; sagte der vorderste Reiter im Zuge zu seinem dicht neben ihm reitenden Kameraden.
„Der"? antwortete dieser; „nichts, verlaß Dich d'rauf. Du kannst es ihm ansehen, daß er
gar nicht daran denkt, daß wir hier in diesem Seehundswetter spazieren reiten. Den Spanier