Deutschlands Kunstschätze. 99
und vermöge einer Schlauheit zu unterstützen, deren liebenswürdigen Zug um den Mund der glan-
zend schwarze, zarte Bart eben noch sehen ließ. ES war interessant, diese beiden noch so jugend-
lichen und doch schon so großen Meister mit einander zu vergleichen, und wer die drei Altrichter
genau betrachtete, hätte in ihren Augen, in denen das Alter das göttliche Feuer gelöscht, ein nicht
geringes Wohlgefallen an der Erscheinung der Künstler zu lesen vermocht
Die Stimme des die Mitte einnehmenden Richters war eiskalt und strenge, als er begann:
„Tiziano Vecellio und Giovanni Antonio Licinio, genannt Pordenone, die Ihr hier vor uns
erschient, Ihr seit angeklagt Augeklagt der Verabredung, mit tödtlichen Waffen Eure Zwistig-
keiten ausmachen zu wollen. Zwistigkeiten, Hervorgegaugen aus Künstlereisersucht Ist das die
Wahrheit?"
Pordenone trat einen Schritt vor, und Tizian streckte anmuthig mit einer rednerischen Be-
wegung die Hand aus
„Ihr wollt lügen!" sagte der Richter rauh. „Hütet Euch. Sollen Beppo und Anselmo, die
Gondolieri, erscheinen?"
Tizian ließ beschämt die Hand sinken, Pordenone das herausfordernd emporgehobene Haupt,
und sah ziemlich ängstlich den Genossen an. Beide mußten beichten Als dies aber geschehen war,
gestanden sie, gewiß aus Herzensgründe, daß diese nächtliche Reise zum Dogenpalast aus immer
ihrer Feindschaft ein Ende gemacht habe, und daß sie nie wieder in die Versuchung kommen wür-
den, andere Waffen als ihre Pinfel und Paletten gegen einander zu gebrauchen; eine Versicherung,
die sie durch feierlichen Handschlag bekräftigen mußten.
„Jünglinge!" sagte dann der zweite Richter, welcher bis dahin geschwiegen hatte, mit hohem
Tone und einer Stimme, die Tizian als diejenige des Dogen zu erkennen meinte „Ihr habt im
Begriff gestanden, gegen die Republik ein schweres Verbrechen zu unternehmen. Ihr wolltet in
Eurer Verblendung das Recht des Staats auf das Leben seiner Bürger nicht nur, sondern auf das
Leben solcher Bürger zu Boden schleudern, die vor tausend Andern berufen sind, den Ruhm und
die Bildung Venedigs aufrecht zu erhalten Ein solches Beginnen muß gesühnt werden Ich for-
dere daher von Dir, Vecellio, und von Dir, Pordenone, innerhalb eines Jahres ein Gemälde, in
Bezug aus welches Ihr zu erklären habt, daß Ihr alle Euch zu Gebote stehenden Kräfte darauf
verwandtet"
„Ah!" rief Pordenone mit freudigem Ausdruck seiner offenen Züge; „edler Herr, Ihr wollt
uns strafen und macht uns glücklich Die „Mutter", die große Republik, verlangt von mir ein
Meisterwerk? Und innerhalb eines Jahres? In einem Monat ist's beendet, oder meine Hand wird
nie wieder den Pinsel berühren."
„Du bist zu schnell, Giovanni!" bemerkte Tizian, ebenso entzückt wie sein Nebenbuhler:
„Wie, wenn von uns Gemälde von bedeutenden Verhältnissen und reicher Composition gefordert
würden?"
„Ich verlange nur zwei Figuren uno dazu nur Kniestücke!" sagte Der, welchen Tizian für den
Dogen hielt.
„Befehlt Ihr, hoher Herr, auch einen befondern Vorwurf?" wagte Tizian zu fragen
„Nein! aber die eine Figur muß Christus, den Hochgebenedeiten, darstellen."
Die Richter erhoben sich bei diesem Namen ehrerbietig, winkten dann den Jünglingen, näher
13*
und vermöge einer Schlauheit zu unterstützen, deren liebenswürdigen Zug um den Mund der glan-
zend schwarze, zarte Bart eben noch sehen ließ. ES war interessant, diese beiden noch so jugend-
lichen und doch schon so großen Meister mit einander zu vergleichen, und wer die drei Altrichter
genau betrachtete, hätte in ihren Augen, in denen das Alter das göttliche Feuer gelöscht, ein nicht
geringes Wohlgefallen an der Erscheinung der Künstler zu lesen vermocht
Die Stimme des die Mitte einnehmenden Richters war eiskalt und strenge, als er begann:
„Tiziano Vecellio und Giovanni Antonio Licinio, genannt Pordenone, die Ihr hier vor uns
erschient, Ihr seit angeklagt Augeklagt der Verabredung, mit tödtlichen Waffen Eure Zwistig-
keiten ausmachen zu wollen. Zwistigkeiten, Hervorgegaugen aus Künstlereisersucht Ist das die
Wahrheit?"
Pordenone trat einen Schritt vor, und Tizian streckte anmuthig mit einer rednerischen Be-
wegung die Hand aus
„Ihr wollt lügen!" sagte der Richter rauh. „Hütet Euch. Sollen Beppo und Anselmo, die
Gondolieri, erscheinen?"
Tizian ließ beschämt die Hand sinken, Pordenone das herausfordernd emporgehobene Haupt,
und sah ziemlich ängstlich den Genossen an. Beide mußten beichten Als dies aber geschehen war,
gestanden sie, gewiß aus Herzensgründe, daß diese nächtliche Reise zum Dogenpalast aus immer
ihrer Feindschaft ein Ende gemacht habe, und daß sie nie wieder in die Versuchung kommen wür-
den, andere Waffen als ihre Pinfel und Paletten gegen einander zu gebrauchen; eine Versicherung,
die sie durch feierlichen Handschlag bekräftigen mußten.
„Jünglinge!" sagte dann der zweite Richter, welcher bis dahin geschwiegen hatte, mit hohem
Tone und einer Stimme, die Tizian als diejenige des Dogen zu erkennen meinte „Ihr habt im
Begriff gestanden, gegen die Republik ein schweres Verbrechen zu unternehmen. Ihr wolltet in
Eurer Verblendung das Recht des Staats auf das Leben seiner Bürger nicht nur, sondern auf das
Leben solcher Bürger zu Boden schleudern, die vor tausend Andern berufen sind, den Ruhm und
die Bildung Venedigs aufrecht zu erhalten Ein solches Beginnen muß gesühnt werden Ich for-
dere daher von Dir, Vecellio, und von Dir, Pordenone, innerhalb eines Jahres ein Gemälde, in
Bezug aus welches Ihr zu erklären habt, daß Ihr alle Euch zu Gebote stehenden Kräfte darauf
verwandtet"
„Ah!" rief Pordenone mit freudigem Ausdruck seiner offenen Züge; „edler Herr, Ihr wollt
uns strafen und macht uns glücklich Die „Mutter", die große Republik, verlangt von mir ein
Meisterwerk? Und innerhalb eines Jahres? In einem Monat ist's beendet, oder meine Hand wird
nie wieder den Pinsel berühren."
„Du bist zu schnell, Giovanni!" bemerkte Tizian, ebenso entzückt wie sein Nebenbuhler:
„Wie, wenn von uns Gemälde von bedeutenden Verhältnissen und reicher Composition gefordert
würden?"
„Ich verlange nur zwei Figuren uno dazu nur Kniestücke!" sagte Der, welchen Tizian für den
Dogen hielt.
„Befehlt Ihr, hoher Herr, auch einen befondern Vorwurf?" wagte Tizian zu fragen
„Nein! aber die eine Figur muß Christus, den Hochgebenedeiten, darstellen."
Die Richter erhoben sich bei diesem Namen ehrerbietig, winkten dann den Jünglingen, näher
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