Künstler-Biographien.
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liche Landschaft, den Gekreuzigten nebst der heiligen Magdalena, Maria und Iohannes, Bernhard
und Benedictus enthält. Hier erreicht er einen köstlichen Wohllaut der Linien, eine wahrhaft
seelenvolle Schönheit im Ausdruck tiefster Trauer. Solche Stoffe vermag er ganz zu bewältigen,
und so gehört denn auch die sigurenreiche Beweinung Christi, für das Nonnenkloster Santa
Chiara gemalt und jetzt im Palazzo Pitti zu Florenz, zu seinen herrlichsten Werken.
In den letzten Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts zog ihn ein größerer Auftrag der Mo-
numentalmalerei wieder nach Perugia zurück. Er schmückte die Gerichtshalle der Wechsler „il
Oumstio" mit Fresken allegorischen und religiösen Inhalts und brachte dieselben im Jahre
1500
Stadt,
als je.
cyklus
mit Schülerhülse zu Stande. Eine Reihe von Jahren blieb er jetzt in dieser
Gerade damals stand er auf seiner Höhe, damals blühte auch seine Schule mehr
Sein thätiger Gehülse war Pinturricchio, der bald darauf seinen reichen Fresken-
in der Dombibliothek zu Siena schuf, vielleicht oberflächlich und schnellsertig, aber von
frischer, anziehender und naiver Auffassung des Lebens; bei ihm lernten der gefühlvolle, bescheidene
Spagna, vor Allem aber Rafael Santi ans Urbino, auf dessen jugendlich zartes Gemüth
Perugino's Richtung damals den tiefsten Eindruck machte. Nun entstanden zahlreiche Hauptwerke
des Meisters, die Verklärung Maria's, im Jahre 1500 für das Kloster Vallombrosa gemalt, jetzt
in der Akademie zu Florenz, die Vermälung von Maria und Joseph, jetzt im Museum zu Caen,
das unmittelbare Vorbild für Rafael's Jugendbild desselben Gegenstandes; die knieende Madonna,
welche das Christnskind verehrt, zu den Seiten die Erzengel Rafael und Michael, gemalt für die
Certosa von Pavia, jetzt in der Nationalgalerie zu London.
Gerade um 1504, als Rafael selbstständig geworden war, ging Pietro wieder aus einige
Zeit nach Florenz, angezogen durch neue künstlerische Erscheinungen daselbst, namentlich durch den
Carton der Reiterschlacht, durch welchen sein alter Freund Lionardo eben Aufsehen zu erregen
begonnen Hatte. So ausgezeichnete Ausnahme er auch jetzt gewöhnlich sand, so trat ihm doch
mitunter schon Opposition, namentlich von Seiten der jüngeren Richtung in Florenz, deren Haupt
Michelangelo war, entgegen. Diesem kühnen und feurigen Geist war das Verständniß für
Pietro's Milde und Innigkeit verschlossen, er verachtete sie als weichlich und sentimental. Aller-
dings gab sich auch Pietro, auf der Höhe seines Ruhmes und Erfolges, jetzt häufig dadurch Blößen,
daß er einen fabrikmäßigen Betrieb in seiner Werkstatt einreißen ließ, den Händen der Gehülsen
zu viel anheimstellte, dieselben Motive oft geistlos und handwerksmäßig wiederholte.
Sein Name hatte noch immer so guten Klang, daß er unter den Künstlern war, welche Papst
Julius II. um 1507 nach Nom berief, um seine Gemächer im Vatican zu schmücken. Bald
darauf kam ein Jüngerer und Größerer, der ihn und alle Anderen plötzlich überstrahlte, sein
eigener Schüler Rafael. Dieser begegnete seinem Meister mit voller Pietät, er bildete ihn ver-
eint mit sich selbst aus der Schule von Athen ab und als ihm der Befehl ward, die früheren Male-
reien zu vernichten, um Alles selbst auszumalen, schonte er namentlich Perugino's dürftige Decken-
bilder im letzten Zimmer. Dennoch mußte dieser jetzt empfinden, daß seine Zeit vorbei sei. Von
nun an arbeitete er fast nur an verschiedenen Orten seiner heimatlichen Provinz, war aber bis in
das Greisenalter hinein außerordentlich fleißig. Seinen Schüler Rafael überlebte er noch um ein
Jahr und starb endlich 1524, in der Pestzeit, zu Fontignano bei Peruga, wo er gerade thätig war.
I. W.
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liche Landschaft, den Gekreuzigten nebst der heiligen Magdalena, Maria und Iohannes, Bernhard
und Benedictus enthält. Hier erreicht er einen köstlichen Wohllaut der Linien, eine wahrhaft
seelenvolle Schönheit im Ausdruck tiefster Trauer. Solche Stoffe vermag er ganz zu bewältigen,
und so gehört denn auch die sigurenreiche Beweinung Christi, für das Nonnenkloster Santa
Chiara gemalt und jetzt im Palazzo Pitti zu Florenz, zu seinen herrlichsten Werken.
In den letzten Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts zog ihn ein größerer Auftrag der Mo-
numentalmalerei wieder nach Perugia zurück. Er schmückte die Gerichtshalle der Wechsler „il
Oumstio" mit Fresken allegorischen und religiösen Inhalts und brachte dieselben im Jahre
1500
Stadt,
als je.
cyklus
mit Schülerhülse zu Stande. Eine Reihe von Jahren blieb er jetzt in dieser
Gerade damals stand er auf seiner Höhe, damals blühte auch seine Schule mehr
Sein thätiger Gehülse war Pinturricchio, der bald darauf seinen reichen Fresken-
in der Dombibliothek zu Siena schuf, vielleicht oberflächlich und schnellsertig, aber von
frischer, anziehender und naiver Auffassung des Lebens; bei ihm lernten der gefühlvolle, bescheidene
Spagna, vor Allem aber Rafael Santi ans Urbino, auf dessen jugendlich zartes Gemüth
Perugino's Richtung damals den tiefsten Eindruck machte. Nun entstanden zahlreiche Hauptwerke
des Meisters, die Verklärung Maria's, im Jahre 1500 für das Kloster Vallombrosa gemalt, jetzt
in der Akademie zu Florenz, die Vermälung von Maria und Joseph, jetzt im Museum zu Caen,
das unmittelbare Vorbild für Rafael's Jugendbild desselben Gegenstandes; die knieende Madonna,
welche das Christnskind verehrt, zu den Seiten die Erzengel Rafael und Michael, gemalt für die
Certosa von Pavia, jetzt in der Nationalgalerie zu London.
Gerade um 1504, als Rafael selbstständig geworden war, ging Pietro wieder aus einige
Zeit nach Florenz, angezogen durch neue künstlerische Erscheinungen daselbst, namentlich durch den
Carton der Reiterschlacht, durch welchen sein alter Freund Lionardo eben Aufsehen zu erregen
begonnen Hatte. So ausgezeichnete Ausnahme er auch jetzt gewöhnlich sand, so trat ihm doch
mitunter schon Opposition, namentlich von Seiten der jüngeren Richtung in Florenz, deren Haupt
Michelangelo war, entgegen. Diesem kühnen und feurigen Geist war das Verständniß für
Pietro's Milde und Innigkeit verschlossen, er verachtete sie als weichlich und sentimental. Aller-
dings gab sich auch Pietro, auf der Höhe seines Ruhmes und Erfolges, jetzt häufig dadurch Blößen,
daß er einen fabrikmäßigen Betrieb in seiner Werkstatt einreißen ließ, den Händen der Gehülsen
zu viel anheimstellte, dieselben Motive oft geistlos und handwerksmäßig wiederholte.
Sein Name hatte noch immer so guten Klang, daß er unter den Künstlern war, welche Papst
Julius II. um 1507 nach Nom berief, um seine Gemächer im Vatican zu schmücken. Bald
darauf kam ein Jüngerer und Größerer, der ihn und alle Anderen plötzlich überstrahlte, sein
eigener Schüler Rafael. Dieser begegnete seinem Meister mit voller Pietät, er bildete ihn ver-
eint mit sich selbst aus der Schule von Athen ab und als ihm der Befehl ward, die früheren Male-
reien zu vernichten, um Alles selbst auszumalen, schonte er namentlich Perugino's dürftige Decken-
bilder im letzten Zimmer. Dennoch mußte dieser jetzt empfinden, daß seine Zeit vorbei sei. Von
nun an arbeitete er fast nur an verschiedenen Orten seiner heimatlichen Provinz, war aber bis in
das Greisenalter hinein außerordentlich fleißig. Seinen Schüler Rafael überlebte er noch um ein
Jahr und starb endlich 1524, in der Pestzeit, zu Fontignano bei Peruga, wo er gerade thätig war.
I. W.