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in ihr knickte sein Leben. Es entblätterte sich nicht langsam.
Plötzlich war er nicht mehr da, er ging unter wie eine blühende
Stadt, die in's Meer versinkt mit all ihrem Reichthum.
Ein Zauber umgab ihn und erfüllte die, denen er begegnete.
Alle empfanden es, die mit ihm zusammen waren. Wo er ar-
beitete, verstummten Neid und Eifersucht zwischen den Künstlern,
sie wurden einig und ordneten sich ihm unter, sie liebten ihn.
Wenn er zum Vatican ging, umgaben ihn mehr als ihrer fünf-
zig, von ihnen begleitet stieg er die Stufen des Palastes hinan.
Er, vielleicht jünger als die meisten von ihnen, schöner, vornehmer
als sie alle. Und dennoch haben wir kein sicheres Bild von
ihm. Aber wer kennte ihn nicht? Wem wäre er fremd? Wenn
ich vor seinen Werken stehe, glaube ich ihn besser zu kennen als
seine besten Freunde, die mit ihm waren. Und so dachten Millionen
von Menschen seit der Zeit, daß er gestorben ist, wenn sie vor
seine Gemülde traten. Das ist der begeisternde Reiz des Ruhmes,
von allen gekannt, von allen geliebt zu sein. Ruhm ist etwas
anderes als Lob und sichtbare Ehre. Berühmt sind diejenigen
nicht, von deren Verdiensten viel gesprochen und geschrieben wird,
sondern die, von denen die Leute wissen, wer sie sind, die sie
kennen, von denen sie schweigend fühlen, wie groß sie sind und
wie unentbehrlich ihre Thaten.
Dieses Ruhmes genoß Raphael wie kein Sterblicher vielleicht
vor ihm und nach ihm. Alexander ließe sich ihm vergleichen,
der so jung wie er und so glänzend eine ungeheure Laufbahn
durcheilte, und so in seiner Blüthe endete. Byron's Berühmt-
heit leuchtet mit trübem Lichte neben der seinigen. Auch er war
in jungen Jahren der größte Dichter seines Volkes und die
anderen huldigten seiner Uebermacht. Aber gefangen genommen
von den Kreisen, deren Weihrauch er verachtete und dennoch ein-
schlürfte, kränkelte er von Anfang an und fiel seinem doppelten
Leben zum Opfer, dem er sich nicht zu entwinden vermocht hat.
Alexander war ein königlicher Jüngling, die Sphäre beengte ihn
2*
in ihr knickte sein Leben. Es entblätterte sich nicht langsam.
Plötzlich war er nicht mehr da, er ging unter wie eine blühende
Stadt, die in's Meer versinkt mit all ihrem Reichthum.
Ein Zauber umgab ihn und erfüllte die, denen er begegnete.
Alle empfanden es, die mit ihm zusammen waren. Wo er ar-
beitete, verstummten Neid und Eifersucht zwischen den Künstlern,
sie wurden einig und ordneten sich ihm unter, sie liebten ihn.
Wenn er zum Vatican ging, umgaben ihn mehr als ihrer fünf-
zig, von ihnen begleitet stieg er die Stufen des Palastes hinan.
Er, vielleicht jünger als die meisten von ihnen, schöner, vornehmer
als sie alle. Und dennoch haben wir kein sicheres Bild von
ihm. Aber wer kennte ihn nicht? Wem wäre er fremd? Wenn
ich vor seinen Werken stehe, glaube ich ihn besser zu kennen als
seine besten Freunde, die mit ihm waren. Und so dachten Millionen
von Menschen seit der Zeit, daß er gestorben ist, wenn sie vor
seine Gemülde traten. Das ist der begeisternde Reiz des Ruhmes,
von allen gekannt, von allen geliebt zu sein. Ruhm ist etwas
anderes als Lob und sichtbare Ehre. Berühmt sind diejenigen
nicht, von deren Verdiensten viel gesprochen und geschrieben wird,
sondern die, von denen die Leute wissen, wer sie sind, die sie
kennen, von denen sie schweigend fühlen, wie groß sie sind und
wie unentbehrlich ihre Thaten.
Dieses Ruhmes genoß Raphael wie kein Sterblicher vielleicht
vor ihm und nach ihm. Alexander ließe sich ihm vergleichen,
der so jung wie er und so glänzend eine ungeheure Laufbahn
durcheilte, und so in seiner Blüthe endete. Byron's Berühmt-
heit leuchtet mit trübem Lichte neben der seinigen. Auch er war
in jungen Jahren der größte Dichter seines Volkes und die
anderen huldigten seiner Uebermacht. Aber gefangen genommen
von den Kreisen, deren Weihrauch er verachtete und dennoch ein-
schlürfte, kränkelte er von Anfang an und fiel seinem doppelten
Leben zum Opfer, dem er sich nicht zu entwinden vermocht hat.
Alexander war ein königlicher Jüngling, die Sphäre beengte ihn
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