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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0017
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einen Antrieb zum Handeln zu gewinnen. Ferner ging mein
Glaube dahin, alle Nachrichten über diese Menschen außer-
ordentlicher Art ließen sich nicht allein in Form ausreichender
Berichte fortpflanzen, sondern es müsse die letzte Wahrheit in
Betreff „Großer Männer" von Künstlern hohen Ranges weiter-
gegeben werden. Es klingt in mir die freudige Ueberraschung
noch nach, mit der ich in Schinkel's Hinterlassenen Schriften
dem Satz begegnete, es seien Kunstwerke die feinsten
historischen Quellen. Selbst Goethe hat das, meines
Wissens, so einfach nicht behauptet. Den neuesten Beweis
dafür liefert der neueste Tag. Wäre Bismarck's Buch nicht
zugleich ein hohes Kunstwerk, so würde nichts über das Empor-
kommen des deutschen Reiches und unseren Kampf gegen
Frankreich Geschriebenes existiren, das die ungeheuren Ereig-
nisse klar zu machen im Stande wäre. Die 1870 lebenden
Deutschen begriffen nur zum Theil was sie eben erlebten. Und
selbst Bismarck giebt nicht Alles. Erst in Zukunft vielleicht
werden Dichter, zurückahnend in die Jahrhunderte, den
erschöpfenden Ausdruck finden für den Zug der Deutschen
nach Paris, die Umlagerung der Stadt, und die herrschenden
Gestalten Kaiser Wilhelm's und Bismarck's. Bismarck hat
in feinem Buche den kommenden Zeiten nur vorgearbeitet.
Taufende erst, die noch kommen, werden den ächten Bis-
marck der Zukunft aufbauen helfen, so wie heute erst, im
zweiten oder dritten Jahrtausend nach dem Tode Cäsar's und
Alexander's, diese beiden inmitten der großen Weltbewegung
ihre ächte Gestalt anzunehmen beginnen, mit deren Formung
die sagenbildende Volksseele unablässig beschäftigt ist: in un-
voraussichtlicher Zukunft erst werden die Gestalten des Kaisers
und seines Kanzlers so dastehen und so einherschreiten wie die
 
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