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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0039
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lich Erlebte Kunde gab, rechte Ausgeburten frischen Jugend-
muthes; diesen Blättern hat Dr. Gräf (Wolfenbüttel) das
entnommen, was im engsten Sinne die beiden Pflegeväter
Heinrich's anbetrifft, und es entstand durch dieses Verfahren
ein scheinbares Tagebuch, dessen Wichtigkeit bereits erkannt
worden ist. (Alan kauft es in Reclam's Ausgabe für weniger
als eine halbe Mark.) Heinrich Voß urtheilt nicht, er be-
richtet. Seiner Feder entströmen die Eindrücke, die er em-
pfängt; man glaubt sich persönlich an dem betheiligt, was
seine enthusiastischen Briefe enthalten. Er blickt zn jedem der
beiden großen Männer wie ein Sohn auf, der, überrascht
vom Walten der Natur, aus der Rolle des gehorsamen Kin-
des in die eines eigene Gedanken und Entschlüsse hegenden
Freundes übertritt. Goethe stand damals noch nicht in höhe-
rem Alter. Auch an ihm formte die Natur noch. Auf kom-
mende Jahrzehnte bereitete er sich noch vor. Auch Schiller
wußte nicht, daß die äußerste Lebensgrenze ihm so nahe be-
vorstehe. Beide sahen Heinrich Voß als ihnen anvertraut au.
Der alte Voß war für Goethe damals noch ein Freund;
Niemand ahnte, daß der vom Hauche unbarmherzigen, höh-
nischen Hochmuthes innerlich schon angetrocknete Mann den-
selben Jüngling, dem so viel Liebes in Weimar zu Theil
wurde, in Heidelberg bald durch böse Nachrede zu einem
Zweifler au Goethe umarbeiteu würde.
Schiller's Tod ist das Höchste, was Heinrich Voß in
Weimar erlebt hat, das Höchste, was er überhaupt erlebte,
und seine Briefe darüber sind das Einzige, was von seiner
Hand heute noch unentbehrlich erscheint, wenn seine Shake-
speare-Uebersetzungen auch immer noch Anerkennung finden.
Wie er aber Schiller's Ende beschreibt, wird er neben Schiller
 
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