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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0053
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29

Gefühle, die er Niemandem aus seiner Umgebung vielleicht
anvertraute, nun aus seinen Werken heraus zu empfinden er-
laubt. Seine Zeitgenossen hätten es nicht vermocht, weil zum
Theil erst lange nach Goethe's Tode gedruckte Blätter Unter-
suchungen dieser Art möglich machen. Anzunehmen ist, daß
in reicherem Maß noch weitere Enthüllungen sich darbieten
werden.
Die neueste Zeit ist die urteilsfähigste. Freilich dann,
wenn die das Wort erheben, denen die gesammte gebildete
Menschheit das urtheilende Wort zuerkennt und nicht die Ver-
treter von Parteien, die sich aufzuspielen suchen. Ich erwähne
dies, weil es ein Zeichen unserer Zeit ist, daß Cliquen Macht
gewinnen, während in Goethe's eigenen Tagen ihr Einfluß
geringer war, gewißlich aber bereits bestand. Auch dies wird
künftig bei einer Beurtheilung Goethe's in Betracht kommen,
denn offenbar haben innerhalb der zweiten Hälfte seiner Lauf-
bahn vorgefaßte Meinungen gegen ihn Macht gewonnen und
Voß, Eckermann und Müller haben sie gekannt und auch
Goethe kam dergleichen oft zu Ohren, wie gereimte und un-
gereimte Gedankenspähne in seinen Schriften zeigen, die darauf
hinzielen. Er macht einmal selbst den Vorschlag, Alles was
gegen ihn gesagt worden sei zu sammeln. Früher oder später
wird dies auch geschehen.
Die Kenntniß der Werke und der Schicksale Goethe's ist
ein Theil des Nationalreichthums der Deutschen.
 
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