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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0093
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sitzt, so lange wird sie sie geltend machen. So lange sind
die Gefangenen, jetzt schon ihre Schützlinge, sicher. Und nun
will Orest von ihrem Vater erzählen! Wir empfinden, daß
Pylades' vorsichtiger, zögernder Bericht Iphigenien nicht genug
that. Mehr will sie erfahren. Und bald wird ihr klar, daß
sie Jemandem gegenübersteht, der mehr weiß und der nichts
verbirgt. Orest, ehe er beginnt, verlangt zu wissen, wer sie sei.
Iphigenie verspricht ihm, daß er es erfahren werde. Vorher
aber soll er erzählen, wie es bei Agamemnon's Tode zu-
gegangen sei. Seltsam könnte erscheinen, daß sie nach etwas
fragt, worüber Pylades eben erst so genau berichtete. Aber
erinnern wir uns selber, wie wir bei Nachrichten, die uns zu
Boden werfen, immer wieder neue Fragen stellen, als hätten
wir sie nicht recht empfangen und der Zweite könne vielleicht
wieder verneinen, was der Erste behauptete. Wer hat nicht
im Leben hoffnungslos so schon erneute Fragen gestellt, um
doch dann nur die vernichtende Wahrheit noch einmal zu ver-
nehmen! Iphigenie wiederholt, neue Auskunft verlangend,
Pylades' Aussage, und mit einem einzigen, dumpfen Rufe
bestätigt Orest Alles.
VI.
Hier werfe ich etwas dazwischen.
Iphigenie, indem sie auf Orest's Frage, wer sie sei, nicht
gleich antwortet, berührt gleichwohl Eigenerlebtes. Sie sagt
ihm, den sie für Pylades' Bruder hält:
Du sollst mich kennen. Jtzo sag' mir an,
Was ich nur halb von deinem Bruder hörte.
Das Ende derer, die, von Troja kehrend.
Ein hartes, unerwartetes Geschick
Auf ihrer Wohnung Schwelle stumm empfing.
 
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