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zwar, da die Worte fehlen, pantomimisch. Die vor Beginn
des Parzenliedes beginnende Musik muß beim Ende des Parzen-
liedes als verklingende Melodie neu anheben, während Iphi-
genie in Stellungen, die zu finden jeder Schauspielerin an-
heimfällt, ihre Stimmung ausdrückt. So wird ein verständ-
licher Abschluß des Actes gewonnen. Der Zuschauer muß
empfinden, daß ein entscheidendes Gefühl bei Iphigenie ein-
getreten sei, aber nur ein Gefühl erst, und daß der Kampf
der widerstrebenden Gedanken in ihr fortdauert.
Iphigeniens Gestalt als Anblick bildender Kunst fehlt
uns, scheint aber auch nicht begehrt zu werden. Wie denn
überhaupt die bildliche Darstellung deutscher dichterischer Ge-
stalten selten verlangt wird. Das deutsche Volk bedarf hier
keiner Bilder. Unsere Phantasie empfindet keine Lücke, wo
sie fehlen. Siegfried und Krimhild, die am meisten heute
doch genannt werden, sind nur in Betreff ihres inneren Ge-
haltes uns sichtbar; das monumental Aeußerliche fehlt ihnen.
Wir haben keine maßgebende Mignon, kein Gretchen, keine
Lotte, keinen Weither, keinen Faust, oder Tasso, oder Wilhelm
Meister im Inventar unserer kunsthistorischen Kostbarkeiten.
Wo wir sie gemalt und gemeißelt finden, genügen sie uns
nicht. Dichtkunst und bildende Künste, scheinbar im engsten
Verkehr, sind in der Formung lebendiger Gestalten weit von
einander entfernt. Angelica Kaufmann hat Iphigenie zu bilden
gesucht: sie hat zuviel Frauenhaftes. Wir verlangen bloß
Andeutendes. Von den Schwestern Marie und Johanna
Rehsener, die in Gossensaß leben, sind in Schattenrissen eine
Reihe Scenen aus dem Stücke dargestellt worden, die auf
Viele, denen diese Arbeit zu Gesichte kam, einen tiefen Ein-
druck gemacht haben. Eine Statue Iphigeniens hat, so weit
zwar, da die Worte fehlen, pantomimisch. Die vor Beginn
des Parzenliedes beginnende Musik muß beim Ende des Parzen-
liedes als verklingende Melodie neu anheben, während Iphi-
genie in Stellungen, die zu finden jeder Schauspielerin an-
heimfällt, ihre Stimmung ausdrückt. So wird ein verständ-
licher Abschluß des Actes gewonnen. Der Zuschauer muß
empfinden, daß ein entscheidendes Gefühl bei Iphigenie ein-
getreten sei, aber nur ein Gefühl erst, und daß der Kampf
der widerstrebenden Gedanken in ihr fortdauert.
Iphigeniens Gestalt als Anblick bildender Kunst fehlt
uns, scheint aber auch nicht begehrt zu werden. Wie denn
überhaupt die bildliche Darstellung deutscher dichterischer Ge-
stalten selten verlangt wird. Das deutsche Volk bedarf hier
keiner Bilder. Unsere Phantasie empfindet keine Lücke, wo
sie fehlen. Siegfried und Krimhild, die am meisten heute
doch genannt werden, sind nur in Betreff ihres inneren Ge-
haltes uns sichtbar; das monumental Aeußerliche fehlt ihnen.
Wir haben keine maßgebende Mignon, kein Gretchen, keine
Lotte, keinen Weither, keinen Faust, oder Tasso, oder Wilhelm
Meister im Inventar unserer kunsthistorischen Kostbarkeiten.
Wo wir sie gemalt und gemeißelt finden, genügen sie uns
nicht. Dichtkunst und bildende Künste, scheinbar im engsten
Verkehr, sind in der Formung lebendiger Gestalten weit von
einander entfernt. Angelica Kaufmann hat Iphigenie zu bilden
gesucht: sie hat zuviel Frauenhaftes. Wir verlangen bloß
Andeutendes. Von den Schwestern Marie und Johanna
Rehsener, die in Gossensaß leben, sind in Schattenrissen eine
Reihe Scenen aus dem Stücke dargestellt worden, die auf
Viele, denen diese Arbeit zu Gesichte kam, einen tiefen Ein-
druck gemacht haben. Eine Statue Iphigeniens hat, so weit