100
Sprachen redet sie die Menschheit an, und in jeder neuen
Sprache werden lebendige Worte ihren Lippen entströmen.
In dem Deutsch, das nach fünfhundert oder dreitausend
Jahren erklingt, wird sie Thoas um ein letztes freundliches
Lebewohl bitten. —
Goethe's Niederschrift der römischen Iphigenie habe ich
für diesen Aufsatz benutzen dürfen. Sie gehört dem Goethe-
Schiller-Archiv in Weimar an, dieser wohlthätigen Stiftung,
die heute schon dasteht als fei sie längst dagewesen. Sie ist
auf das harte und dünne Papier geschrieben, das Mitte
unseres Jahrhunderts in Nom noch das hergebrachte Schreib-
papier war. Die blaßgewordenen Reihen erinnern mich an
die ehemalige römische Tintenmistzre. In seiner kräftigen,
leise nach rechts sich neigenden deutschen Handschrift, die wir
aus Goethe's Briefen an Fran von Stein kennen, ist die
Dichtung geschrieben. Offenbar ist dies Heft eine letzte Rein-
schrift, die mit fliegender Feder angefertigt, von der vorher-
gehenden mühsamen Arbeit des Nmgestaltens in Verse nichts
verräth. Dennoch hat auch sie noch Veränderungen erfahren.
Eine Reihe von Stellen sind ausgestrichen und durch andere
Fassungen ersetzt. Wir erkennen genau, was vorher dastand,
und beurtheilen demnach, daß hier Verbesserungen im Sinne
gefälligeren Wortklanges angebracht wurden. Daneben aber
eine andere Besonderheit. Eine Anzahl Verse sind zwischen
die anderen mit schwärzerer Tinte, in schärferer und besonders
in kleinerer Schrift — man könnte fast sagen — eingekeilt.
Offenbar hatte Goethe, als er die Resultate seiner italienischen
Arbeit in dieser Abschrift zusammenfaßte, immer noch eine
Anzahl Stellen sich zu Danke nicht sofort zu versificiren ver-
Sprachen redet sie die Menschheit an, und in jeder neuen
Sprache werden lebendige Worte ihren Lippen entströmen.
In dem Deutsch, das nach fünfhundert oder dreitausend
Jahren erklingt, wird sie Thoas um ein letztes freundliches
Lebewohl bitten. —
Goethe's Niederschrift der römischen Iphigenie habe ich
für diesen Aufsatz benutzen dürfen. Sie gehört dem Goethe-
Schiller-Archiv in Weimar an, dieser wohlthätigen Stiftung,
die heute schon dasteht als fei sie längst dagewesen. Sie ist
auf das harte und dünne Papier geschrieben, das Mitte
unseres Jahrhunderts in Nom noch das hergebrachte Schreib-
papier war. Die blaßgewordenen Reihen erinnern mich an
die ehemalige römische Tintenmistzre. In seiner kräftigen,
leise nach rechts sich neigenden deutschen Handschrift, die wir
aus Goethe's Briefen an Fran von Stein kennen, ist die
Dichtung geschrieben. Offenbar ist dies Heft eine letzte Rein-
schrift, die mit fliegender Feder angefertigt, von der vorher-
gehenden mühsamen Arbeit des Nmgestaltens in Verse nichts
verräth. Dennoch hat auch sie noch Veränderungen erfahren.
Eine Reihe von Stellen sind ausgestrichen und durch andere
Fassungen ersetzt. Wir erkennen genau, was vorher dastand,
und beurtheilen demnach, daß hier Verbesserungen im Sinne
gefälligeren Wortklanges angebracht wurden. Daneben aber
eine andere Besonderheit. Eine Anzahl Verse sind zwischen
die anderen mit schwärzerer Tinte, in schärferer und besonders
in kleinerer Schrift — man könnte fast sagen — eingekeilt.
Offenbar hatte Goethe, als er die Resultate seiner italienischen
Arbeit in dieser Abschrift zusammenfaßte, immer noch eine
Anzahl Stellen sich zu Danke nicht sofort zu versificiren ver-