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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0226
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„Unverkennbar trägt sein Wesen den Stempel livländischer,
oder wie man heute sagt, baltischer Geistesart."
Mit diesen Worten wird ausgesprochen, was der Leser
in dem Buche findet und an ihm hat. Auf das einzugehen,
was gerade hier in besonderen Gedanken neu geboten wird,
würde dem Begriff einer kurzen Anzeige widersprechen, deren
Grenzen ich nicht überschreiten will. Nur darauf sei deshalb
hingewiesen, daß an wissenschaftlicher Ausbeute der Haupt-
gewinn in den Nachrichten liegt, welche wir über Hehn's Vor-
lesungen empfangen. Die Deutsche Literatur unseres Jahr-
hunderts, Goethe an erster Stelle also, ist hier sein Arbeits-
feld. Seine Anschauungen sind keineswegs veraltet, gewinnen
vielmehr heute neuen Werth. Schiemann versteht es, Hehn's
Gedanken kurz, aber nicht zu kurz darzulegen. Hehn wird
bei der Geschichte der Deutschen Literaturhistorie nun ein
fester, wichtiger Mitspieler ersten Ranges sein. Schiemann
läßt ihn, wo es irgend angeht, selbst das Wort ergreifen,
Hehn's Leben hätte keinem richtigeren Biographen anheimfallen
können. Wie Hehn's eigene Bücher hält uns auch dieses fest.
Hehn ist von allen Seiten längst anerkannt worden.
Auch die Absonderlichkeiten seines Alters treten so offenbar
heraus, daß sie bei seinen Lebzeiten noch von seinen Freunden
entschuldigt werden konnten. Sein Alter brachte allerlei mit
sich, das der Entschuldigung bedurfte. Wie sollte ein Mann,
der nach so großer Lebensarbeit und so auf die Natur eines
Menschen einstürmenden Schicksalen endlich durch hohe Jahre
genöthigt wird, innezuhalten, nicht zuletzt in seltsamen Formen
einzufrieren beginnen? Ein Teich, den freundlicher dichter
Baumwuchs ringsherum vor den Winden schützt, friert endlich
spiegelblank zu, während die Wellen des Meeres sich in
 
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