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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0349
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bildet, durch die Einfachheit und Stärke des rein menschlichen
Elementes aus, die sie den deutschen Volksliedern verwandt
erscheinen läßt. Die großen Gegensätze des Lebens stehen sich
heftiger und voller gegenüber, als bei den toscanischen Ge-
säugen, die geistreicher und individueller klingen. Wollte mau
die sicilianifchen Lieder übertragen, so würde die Sprache der
älteren deutschen Volkslieder wohl zn brauchen fein, während
bei den toscanischen die feinen Wendungen unserer neuesten
Dichtersprache nöthig wären.
Die Einheit Italiens hat die auf. das Volksthttmliche ge-
richtete, umfangreiche Literatur möglich gemacht, deren das
Königreich sich jetzt erfreut. Man fürchte nicht, daß die gemein-
same Politik des nun ein Ganzes bildenden Volkes die schönen
Unterschiede des provincialen Daseins verwischen möchte. Wir
machen in Deutschland 'zum Theil den gleichen historischen
Proceß durch und haben nicht zu beklagen, daß die einzelnen
Theile des Vaterlandes an eigenthümlicher Lebenskraft ein-
büßen. Im Gegentheil werden wir uns in immer höherem
Blaße bewußt, wie wichtig es für jeden Einzelnen sei, an fester
Stelle aus starken Wurzeln hervorgegangen zu sein und neben
der Liebe zum ganzen Reiche die Verehrung für seine Provinz
als etwas Schönes und Unvergängliches in sich zu tragen.
 
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