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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0356
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tief empfundenen, ohne jede Phrafendrechfelei niedergeschriebenen
Verfe in Verkehr mit einem den Siebzigern schon nahe-
stehenden Manne, der viel Menschliches erlebt und sich zu
innerer Ruhe durchgerungen hat. Deutschland beherbergt
gewiß noch viele Dichter dieser Art und ähnlicher Begabung.
Wollten wir ihr Niedergeschriebenes alles drucken lassen, so
würde uns viel Monotones zu Gehör kommen. Hier aber
begegnen wir in dem dichtenden Schuhmacher einer ab-
geschlossenen Persönlichkeit, die in einer der späteren Aus-
gaben Gödeke's doch wohl ihre Stelle finden wird. Im Volke,
d. h. in den von der Atmosphäre unserer großen Städte un-
angerührten Theilen Deutschlands, stehen Dichter und Dichter-
innen noch in Ansehen; die ihnen verliehene Gabe, das
Einfachmenschliche, Heilige, Vaterländischbedeutende auszu-
sprechen, verleiht ihnen einen gewissen Rang. Rosalie Koch's
Stellung in ihrem abgelegenen Orte ist ein schönes Beispiel
dafür (auch deren schon in dritter Auflage erschienene Ge-
dichte hat Prof. Schrattenthal herausgegeben). Die Mischung
von Gestank und Parfüm, die uns aus manchen Dichtungen
neuester Schule großstädtischen Ursprungs heute entgegen-
quillt, bildet einen seltsamen Gegensatz zu dieser unschuldigen
Lyrik. Viele von den Volksdichtern des Prof. Schrattenthal
sind mir successive nun bekannt geworden: alle bezeugen, wie
sicher und segenbringend das, was wir höhere geistige Bildung
nennen, in die Allgemeinheit des deutschen Volkes jetzt
einsickert.
 
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