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Schlosser: Die Kirche in ihren Liedern durch alle Jahrhunderte, 15
sehen Strophen gegeben; letztere theils mit Zugrundlegung der Psalmen-
übersetzungen von Opitz und von Cramer, theils in neuer Ueber-
selzung. Die neutestamentlichen Stücke aus dem griechischen Texte
übersetzt, sind der Lobgesang Maria’s, der Lobgesang des Zacharias
(aus dem Evangelium LucaeJ, das Gebet Jesu Christi aus dem Evan-
gelium Johannis Cap. 17; das Gebet der Gläubigen aus der Apo-
stelgeschichte (Cap. 4J und einige Stellen aus der Offenbarung Jo-
hannis. Das zweite Buch, geistliche Gesänge und Lieder aus
dem Griechischen und aus dem Orient vom zweiten bis neunten
Jahrhundert, gibt aus dem Griechischen nach dem Hymnus von Cle-
mens Alexandrinus Stücke von Gregorius, Synesius, Johannes von
Damaskus u. A. Die metrische Form ist in der Ueberselzung nicht
ängstlich nachgebildet, sondern in analoge Maasse umgebildet, aber
der Geist der Gesänge treu und mit Geschmack wiedergegeben, so
dass der Hauch griechischer Anmuth, dialektischer Feinheit und
lebhafter Empfindung, welcher diesen Liedern, im Vergleich mit
dem einfachem, Strengern dogmatischen Charakter der lateinischen
Kirchenlieder eigen ist, nicht verloren geht. Von den trefflichen
Stücken des h. Ephraem des Syrers wird nur eines gegeben, ein
Abendlied, nach der lateinischen Uebersetzung bei Assemann.
Wahrscheinlich unterliess es der Verfasser desswegen eine grössere
Anzahl dieser syrischen Kirchengesänge zu übersetzen, weil eine
solche Uebersetzung von dem Benedictiner Pius Zingerle vor-
liegt, woraus auch Daniel in dem Thesaurus hymnologicus
mehrere Proben aufgenommen hat. Das dritte bis zu dem ach-
ten Buche einschliesslich ist vorzugsweise dem deutschen katho-
lischen Kirchenliede und geistlichem Liede gewidmet. Es war früher
die Ansicht ziemlich allgemein herrschend, dass das deutsche Kir-
chenlied erst von dem sechzehnten Jahrhunderte her seinen Ursprung
datire. Wenn das deutsche Kirchenlied aber auch in den kirchli-
chen Bewegungen jenes Jahrhunderts und durch dieselbe eine neue
Anregung und grössere Bedeutung erhielt, so ist es nun doch durch
neuere Forschungen eine ausgemachte Sache, dass schon von dem ach-
ten Jahrhunderte an eine grosse Menge von deutschen Kirchenliedern
vorhanden und im Gebrauch waren. Es waren dieses theils Ueber-
Setzungen und Bearbeitungen der liturgischen lateinischen Hymnen,
von welchen Grimm’s Hymnorum interpretatio theotisca (Göttin-
gen 183OJ Proben aus der Mitte des achten Jahrhunderts miltheilt,
und von welchen, um Anderes zu übergehen, hier in Heidelberg
gedruckt bei Heinrich Knoblötzer im Jahr 1494 eine Sammlung er-
schien; theils waren es deutsche Originallieder, welche von dem
Volke an hohen Festtagen, bei Prozessionen und Wallfahrten ge-
sungen wurden und deren Gebrauch man vom dreizehnten Jahr-
hundert an urkundlich nachweisen kann. Dazu kommen so viele
geistliche Dichtungen der Minne- und Meistersänger. Aus diesem
reichen Vorrathe beabsichtigte der Verfasser des vorliegenden Wer-
kes keine, alle die verschiedenen Klassen und Perioden berücksich-
 
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