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Alterthümer des Mainzer Museums.

und unterwirft diese nicht nur einer nähern Beurtheilung und Ein—
theilung in hauptsächlich drei Grundformen, sondern er gibt auch
die nähere Beschreibung und die Abbildungen von 16 dieser Ge-
wandnadeln, von unfern Augsburg, Würzburg, Mainz, Wiesbaden
und Kreuznach gefundenen, auf zweien lilhographirten Tafeln, so
wie weiter die schönen in dem Texte eingefügten Holzschnitte von
9 andern Broschen, von 2 Angelsächsischen aus England und 7 an-
dern aus der Umgegend von Nierstein, Frankfurt, Nordendorf, Ober-
flacht, Selzen und von der Insel Wight. Und auf diese Weise stellt
er unwidersprechhch die Einheit und Gleichheit der Einzelheiten vor
die Augen, so dass man bei dem ersten Anblicke dieser Gewand-
nadeln sagen muss: sie gehören Einer Zeitperiode und den gleich
gesitteten Stämmen Eines Volkes an. Ja, es ist nichts wahrer als
das Wort des Herrn Lindenschmit: „Das Auge ist seither zu
wenig bei diesen Fragen betheiligt worden; es besitzt ein schnelles
und scharfes Uriheil und wird bald entschieden haben.“
Herr Lindenschmit leitet aber für alle jene Arten der Bro-
schen den Ursprung von der römischen Fibula ab, jedoch nur in
Bezug auf ihre Grundform; denn, sagt er, ihre Verzierungsweise zeigt
vielmehr im Ganzen einen auffallend verschiedenen, völlig ungere-
gelten, man möchte sagen: „oft wilden Charakter“, und das antike
Element erscheint hier bis auf wenige wahrnehmbare Spuren völlig
verdrängt. Und der Entstehung dieser Broschen weiset er die der
Weströmischen Herrschaft unmittelbar folgende Periode von dem
fünften bis in das achte Jahrhundert an, mit tiefer Einsicht erklärend,
dass eine solche Bestimmung nur diejenigen überraschen könne,
welche die Erscheinung solcher Arbeiten, wie unsere Schmucknadeln,
mit ihrer Ansicht „von der vollständigen Vernichtung aller Kultur
durch die eindringenden Barbarenhorden“ im Widerspruch finden
müssen. Die Ueberlieferung antiker Bildung habe nur eine vorüber-
gehende und lokale Unterdrückung finden können, aber die Thätig-
keit in den verschiedenen Zweigen der Kunstfertigkeit sei zu keiner
Zeit gänzlich unterbrochen worden, und das antike Element habe
mannigfach läuternd und mässigem! auf die Entwickelung der wil-
den und naturwüchsigen Formen der Ornamentik unsrer Zeitperiode
gewirkt.
Herr Lindenschmit fast nun die noch zumeist in ganz ur-
sprünglichem Charakter vortretenden Formen unsrer Schmucknadeln
näher in das Auge, um einen Anknüpfungspunkt zur Ermittlung ihres
Herkommens aufzusuchen, und findet in denselben den Charakter
von Holzsculplur und vom Schnitzwerk, wie derselbe an den schö-
nen Thongefässen Alamannischer Hügelgräber bei Sigmaringen schon,
dann an den so wundersam erhaltenen Holzgeräthen, besonders an
den Todtenschuhen, der Gräber von Oberflacht, und zumal an den
noch lange nicht genug beachteten Schnitzarbeiten aller Norwegi-
schen Kirchen in Netzwerk, Rauten und Zickzack neben Verschlin-
gungen von Bändern und Ranken, vor Allem aber von Schlangen
 
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