Reichlin-Meldegg: Paulus und seine Zeit.
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Deutschlands. In dem ersten Hefte des Vermächtnisses an seine
Freunde griff Lavater Paulus’ sittlichen Charakter und dessen wis-
senschaftliche Tüchtigkeit an (S. 269). Er sandte selbst ein Exem-
plar dieser Erklärung an die Herzogin Amalia nach Weimar.
Der Angriff gab zu einer wichtigen, charakteristischen Correspon-
denz zwischen beiden berühmten Männern, welche S. 270—308 mit-
gelheilt wird, Veranlassung. Dor Streit wurde in einer beide Ge-
lehrte ehrenden Weise beigelegt (S. 305—306). Auf Paulus’
Schilderung in der Wirksamkeit des Lehrers und Schriftstellers folgt
die Darstellung seiner Bekleidung öffentlicher Ehrenämter. Er ver-
waltete das Prorektorat in Jena in jenem merkwürdigen Jahre
(1799), in welchem er äusser bedeutenden Studentenhändeln den
berühmten, einflussreichen Atheismusstreit J. G. Fichte’s zu schlich-
ten hatte (S. 308—328).
Hierauf werden das häusliche Leben unseres Gelehrten und des-
sen Stellung zu Griesbach, Göthe, Schiller, Herder u. s. w.
dargestellt. Paulus urtheilt noch im 89. Jahre S. 337 über Göthe:
„Wir bewundern an Friedrich, dem Grossen, dass dieser, wenn
er den ganzen Tag commandirt hatte, oder von der Schlacht ermü-
det war, noch hinsitzen und einen Brief an Voltaire oder Di-
derot schreiben konnte, so gut, als die Schriftsteller, die den ganzen
Tag gemächlich Zeit dazu hallen. Das macht das Genie. So ist es
bei Göthe. Göthe konnte so toll und aberwitzig und so überaus
gescheidt und geistreich sein, als es nur einem Menschen möglich
war. Aber es kostete ihn keine Anstrengung. Es kam wie gefun-
den. Er ist Genie. Schiller steht, was die geniale Kraft be-
trifft, gegen ihn in untergeordnetem Verhältnisse. Er leistete Herr-
liches; aber es kostete Mühe. Noch jetzt lasse ich mir den Eg-
mont und den Tas so lesen, und bewundere die Charaktere, die
so klaren Beziehungen zu Göthe’s Zeit. In Alphons zeigt er
dem Herzoge, wie er sein sollte. In Tasso zeichnet er sich selbst.
Der Hof zu Ferrara ist der von Weimar“ (S. 337).
Paulus wendete wegen seiner und seiner Caroline schwäch-
lichen Gesundheit, welcher das rauhere Klima der Saale Gefahr
drohte, den Blick nach Süden. Am 20. Oktober 1803 wurde er
von der freisinnigen Regierung des damaligen Kurfürsten Maxi-
milian Joseph von Baiern als ordentlicher Lehrer der Theolo-
gie und Consistorialrath in Würzburg angestellt (S. 354). In
dem Entlassungsdecrete vom 5. November 1803 sprach sein seit-
heriger Landesherr, Herzog Carl August, seine „Anerkennung
der gelehrten Bemühung“ aus, welche Paulus „der Akademie zeit-
her zum wahren Besten derselben unermüdet gewidmet hat.“
In Jena und Weimar war es inzwischen anders geworden.
Johannes Falk schrieb an Paulus am 29. September 1805;
„Auf dem Fusse, wie die Sachen jetzt in Weimar stehen, und lei-
der immer noch ihren Gang nehmen, kann der Aufenthalt daselbst
Niemanden grosses Vergnügen machen. Denken Sie selbst— Her-
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Deutschlands. In dem ersten Hefte des Vermächtnisses an seine
Freunde griff Lavater Paulus’ sittlichen Charakter und dessen wis-
senschaftliche Tüchtigkeit an (S. 269). Er sandte selbst ein Exem-
plar dieser Erklärung an die Herzogin Amalia nach Weimar.
Der Angriff gab zu einer wichtigen, charakteristischen Correspon-
denz zwischen beiden berühmten Männern, welche S. 270—308 mit-
gelheilt wird, Veranlassung. Dor Streit wurde in einer beide Ge-
lehrte ehrenden Weise beigelegt (S. 305—306). Auf Paulus’
Schilderung in der Wirksamkeit des Lehrers und Schriftstellers folgt
die Darstellung seiner Bekleidung öffentlicher Ehrenämter. Er ver-
waltete das Prorektorat in Jena in jenem merkwürdigen Jahre
(1799), in welchem er äusser bedeutenden Studentenhändeln den
berühmten, einflussreichen Atheismusstreit J. G. Fichte’s zu schlich-
ten hatte (S. 308—328).
Hierauf werden das häusliche Leben unseres Gelehrten und des-
sen Stellung zu Griesbach, Göthe, Schiller, Herder u. s. w.
dargestellt. Paulus urtheilt noch im 89. Jahre S. 337 über Göthe:
„Wir bewundern an Friedrich, dem Grossen, dass dieser, wenn
er den ganzen Tag commandirt hatte, oder von der Schlacht ermü-
det war, noch hinsitzen und einen Brief an Voltaire oder Di-
derot schreiben konnte, so gut, als die Schriftsteller, die den ganzen
Tag gemächlich Zeit dazu hallen. Das macht das Genie. So ist es
bei Göthe. Göthe konnte so toll und aberwitzig und so überaus
gescheidt und geistreich sein, als es nur einem Menschen möglich
war. Aber es kostete ihn keine Anstrengung. Es kam wie gefun-
den. Er ist Genie. Schiller steht, was die geniale Kraft be-
trifft, gegen ihn in untergeordnetem Verhältnisse. Er leistete Herr-
liches; aber es kostete Mühe. Noch jetzt lasse ich mir den Eg-
mont und den Tas so lesen, und bewundere die Charaktere, die
so klaren Beziehungen zu Göthe’s Zeit. In Alphons zeigt er
dem Herzoge, wie er sein sollte. In Tasso zeichnet er sich selbst.
Der Hof zu Ferrara ist der von Weimar“ (S. 337).
Paulus wendete wegen seiner und seiner Caroline schwäch-
lichen Gesundheit, welcher das rauhere Klima der Saale Gefahr
drohte, den Blick nach Süden. Am 20. Oktober 1803 wurde er
von der freisinnigen Regierung des damaligen Kurfürsten Maxi-
milian Joseph von Baiern als ordentlicher Lehrer der Theolo-
gie und Consistorialrath in Würzburg angestellt (S. 354). In
dem Entlassungsdecrete vom 5. November 1803 sprach sein seit-
heriger Landesherr, Herzog Carl August, seine „Anerkennung
der gelehrten Bemühung“ aus, welche Paulus „der Akademie zeit-
her zum wahren Besten derselben unermüdet gewidmet hat.“
In Jena und Weimar war es inzwischen anders geworden.
Johannes Falk schrieb an Paulus am 29. September 1805;
„Auf dem Fusse, wie die Sachen jetzt in Weimar stehen, und lei-
der immer noch ihren Gang nehmen, kann der Aufenthalt daselbst
Niemanden grosses Vergnügen machen. Denken Sie selbst— Her-