Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0015

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Anmerkungen zur jüngeren Debatte über Bildung und Kanon 3

jähren - sind die Stichworte, an denen sie sich entzünden. Und neben den
erwähnten Kulturpessimisten des konservativ-abendländischen Spektrums
hat sich im Angesicht dieser Malaisen eine zweite kritische Partei etabliert:
diejenige der wirtschaftsnahen Modernisierer, die sich vor allem um das „Hu-
mankapital", den Produktionsfaktor Wissen, die Qualifikation der (künftigen)
Produzenten Sorgen machen. Die Bildungsparole führt auch diese Partei im
Mund, sie meint damit aber etwas durchaus anderes als die konservativen
Anhänger einer kanonischen Bildung, nämlich beruflich unmittelbar verwert-
bare (Schlüssel-)Kompetenzen.

Ist das Lamento über mangelnde Bildung oder vielmehr über mangelhaf-
te kognitive Leistungen vor allem der Jugend also allenthalben zu hören, so
sollte dies nicht dazu verführen, die Klagenden über einen Leisten zu schla-
gen. Zwar gibt es ähnliche Argumente, Übereinstimmungen in der Diagnose
und vor allem ein gemeinsames Feindbild: die „Achtundsechziger" mit ih-
ren Emanzipations- und Demokratisierungsparolen.3 Doch in anderen zen-
tralen Fragen ist man sich durchaus uneins. Verlangen die einen danach, die
Aus-Bildung der Jugend zielbewusst an kommenden „Herausforderungen" im
Wirtschaftsleben auszurichten und sie „fit" zu machen für das Berufs- und
Erwerbsleben in einer mobilen, flexiblen, sich ständig in rasender Geschwin-
digkeit transformierenden Welt,4 plädieren die anderen gerade für eine Ab-
kehr von dieser Art von Nützlichkeitsdenken und wollen der „Bildung" um
ihrer selbst willen zu ihrem guten alten Recht verhelfen. Insofern sind diese
Denkschulen geradezu Antipoden. Die Anhänger des „Kanons" sehen in den
Modernisierern fast ebenso schlimme Feinde der Bildung wie einstmals in
den 68ern. Und umgekehrt dürften für die liberalen Ökonomisten die Kon-
servativen Träumer sein - nicht so lästige und gefährliche wie die Linken von
einst, aber auf dem Weg in eine glänzende Zukunft des Standorts Deutschland
ebenfalls recht unbrauchbar.

Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen freilich nicht die Wort-
meldungen dieser Ökonomisten, sondern diejenigen der Anhänger eines mehr
oder minder klassischen Bildungskanons. Dabei ist durchaus unklar, wie groß
der Einfiuss dieses Lagers auf politische Programme und Entscheidungen ist.
In der öffentlichen Debatte spielen die „Kanonisten" jedoch unübersehbar eine
große Rolle. Sie üben einen erheblichen Einfiuss auf das „gebildete" Publikum
aus, und sie werden immer wieder als Kronzeugen für allerlei bildungspoliti-
sche Appelle in Anspruch genommen.

Zu den Positionen der so genannten „emanzipatorischen" oder „kritischen" Pädagogik mit

ihren gesellschaftsverändernden Ansprüchen vgl. im vorliegenden Band den Beitrag von Rose

Boenicke.

Siehe hierzu, neben den meisten Beiträgen der Sammelbände Alfred-Herrhausen-Stiftung

2001 und Fahrholz et al. 2002, im vorliegenden Band den Beitrag von Michael Rogowski.
 
Annotationen