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Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0341

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Ethnizität und Bildungsverhalten 329

Schulzweigen und Kursen zugewiesen werden. Diese Praxis steht im Kreuz-
feuer der Kritik, die vor allem mit mangelnder Objektivität bei der Platzie-
rung der Schüler in die Kurse argumentiert. Wer in den unteren Tracks (be-
rufsbildende Kurse, Vocational oder Technical courses) landet, gilt bei vielen
als stigmatisiert;44 überragende intellektuelle Leistungen werden von diesen
Schülern nicht (mehr) erwartet, und selbst wenn es in den Folgejahren zu
(überraschenden?) Entwicklungen in einer stärker als akademisch zu werten-
den Richtung kommt, werden diese Schüler in aller Regel nicht aus ihrem
jeweiligen Track herausgenommen. Die nach Begabung sortierten Kurspro-
gramme spiegeln also unterschiedliches soziales Prestige wider, wobei von
einem Wechsel von unten nach oben nur in Ausnahmefällen berichtet wird.
Vielmehr zementiert das Tracking-Prinzip bestehende soziale Hierarchien, die
sich hier - wiederum - mit ethnisch-kulturellen Merkmalen verschränken.
So konzentrieren sich Schüler aus finanziell bescheidenen Verhältnissen und
ethnisch-sozial marginalisierten Positionen in den unteren, den Vocational
oder berufsvorbereitenden Kursprogrammen. Sie müssen sich hier mit einem
erwiesenermaßen qualitativ weniger guten Unterricht zufrieden geben und
kämpfen oft mit beträchtlichen psychischen Problemen, die mit der geringe-
ren sozialen Akzeptanz der Vocational-Kursprogramme zu tun haben. Umge-
kehrt finden sich weiße Kinder überdurchschnittlich häufig in hochschulvor-
bereitenden Kursen, während nur etwa ein Viertel der Hispanics für diesen
Zweig angemeldet ist.45 In den speziellen Tracks für Kinder mit retardierten
Fähigkeiten konzentrieren sich vor allem African Americans, Hispanics und
Indianer (vgl. Abb. 5). In Begabten- und Talentiertenkursen (Gifted and Talent-
ed) wiederum sind diese Gruppen kaum vertreten, was besonders deutlich für
die Südstaaten gilt.46 Neuerlich also tritt etwa der Süden als charakteristi-
sche Bildungslandschaft mit (traditionell) ungünstigen Rahmenbedingungen
in Erscheinung, und wiederum verzahnen sich Kultur, Ethnizität und Bildungs-
verhalten im Konfliktfeld Schule. Hier ist es die Ebene der einzelnen Schulen,
in denen mit leistungsorientierten und zukunftsbezogenen Kursprogrammen
ethnisch-kulturelle Ansprüche verteidigt oder durchgesetzt werden sollen.
Dass die Tracks von den Verteidigern als quasi unumstößliches Organisations-
raster des öffentlichen US-amerikanischen Schulsystems begriffen werden, das
den sozialen Status quo reproduzieren hilft, deckt sich gut mit dem hegemo-
nialen Verständnis von Macht und Kultur, auf das eine Neue Kulturgeographie
fokussiert. Ganz in deren Sinne - und dazu auch in Einklang mit Bourdieus
Analyse der Machtrelationen zwischen den Geschlechtern 47 - bildet die Public

44 Vgl. Irvine 1990,9ff.

45 Vgl. Meier/Stewart 1991.

461992 stellten African Americans in Mississippi insgesamt 51 Prozent der registrierten Schüler
(Kindergarten bis 12. Schulstufe), jedoch nur sieben Prozent der im Rahmen der Begab-
tenförderung erfassten Schüler (vgl. Sanders/Mattson 1998,234).

47 Bourdieu 2005.
 
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