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Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0372

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360 Heike Jons

Charakter erst durch die Zirkulation von einem Ort zum anderen, durch die
Rekrutierung unterstützender Ressourcen an anderen Orten und durch ihre
Bewährung und Akzeptanz in neuen Kontexten. Gleichzeitig bedeutet dies, dass
wissenschaftliche Kommunikation auf verschiedenen Maßstabsebenen, von
der internationalen bis zur individuellen, immer mit grenzüberschreitenden
Interaktionen einhergeht, die verschiedene materielle und ideelle Räume in Be-
ziehung zueinander setzen und dabei Verbindungen ermöglichen, aber auch
erhebliche Missverständnisse hervorrufen und Unstimmigkeiten aufdecken
können.

Wissenschaftler können über ihre eigene Körperlichkeit und die von ih-
nen behandelten Fragestellungen immer in spezifischen physisch-materiellen
und gedanklich-ideellen Räumen verortet werden. Daraus resultierende Geo-
graphien der Wissenschaften machen deutlich, dass die jeweilige Bedeutung
räumlicher Bezüge für verschiedene wissenschaftliche Praktiken systema-
tisch nach den konstituierenden Entitäten und dem Stadium wissenschaftli-
chen Netzwerkbildens variiert, weil damit jeweils verschiedene Ausprägungen
von Materialität und Immaterialität verbunden sind. Zusätzlich zu diesen
räumlichen Bezügen verschiedener wissenschaftlicher Praktiken, die gewis-
sermaßen in deren Natur impliziert sind, wurde deutlich, dass Interaktionen
von Wissenschaftlern durch zahlreiche weitere Aspekte strukturiert werden,
darunter politische Systeme, wirtschaftliche Ressourcen, Gesetze, fachliche und
regionale Wissenschaftskulturen, symbolische Hierarchien von Wissenschafts-
zentren, berufliche und private Netzwerke, Karrierephasen, Merkmale akade-
mischer Sozialisation, Sprachkompetenzen, biographische Verbindungen und
kulturelle Affinitäten. Je nach Art der Positionierung eines Wissenschaftlers in-
nerhalb entsprechender Netzwerke heterogener Ressourcen variieren Bedarf,
Möglichkeiten und Motivationen zur Beteiligung an internationaler Zirkulati-
on und der damit verbundenen Generierung potentieller positiver Effekte für
die eigene wissenschaftliche Arbeit und Karriere.

Wissenschaftler der großen US-amerikanischen Forschungsuniversitäten
repräsentieren in diesem Zusammenhang eine wissenschaftliche Elite, deren
Interaktionsmuster besonders stark von den Raumbezügen der konstituie-
renden Elemente ihrer Argumentationsnetzwerke geprägt werden, weil ande-
re mögliche Mobilitätshindernisse im Kontext deutsch-amerikanischen Be-
ziehungen des späten 20. Jahrhunderts entweder nicht relevant waren oder
die Wissenschaftler potentielle Mobilitätshindernisse durch Ressourcenreich-
tum substituieren konnten. Mit Blick auf zukünftige Studien wäre es daher
interessant, die Perspektive von Personen einzubeziehen, die über weniger
heterogene Ressourcen verfügen als international renommierte Forscher aus
den Wissenschaftszentren der USA, um weitere Erkenntnisse über die hoch-
gradige Stratifizierung internationaler Wissenschaftsbeziehungen gewinnen
zu können und dadurch weitere Möglichkeiten zu schaffen, Lücken im An-
gebot von Förderprogrammen aufzudecken, zielgruppenspezifische Bedürf-
 
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