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Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0378

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366 Nico Stehr

die Arbeit eigentlich nur ein Faktor unter gleichartigen, disponiblen Produk-
tionsfaktoren sein kann.7

Mein begrenzter Blickwinkel gilt einer sozialen Anatomie der Arbeit oder
einer Analyse des Stellenwerts der Arbeit in der wissensbasierten Ökonomie
und in der Wissensgesellschaft. Mein zentrales Augenmerk gilt zunächst dem
Umfang der Arbeit in der modernen Gesellschaft. Auf die für Wissensgesell-
schaften typische Arbeit sowie deren Voraussetzungen und Folgen für die Welt
der Arbeit gehe ich im nächsten Abschnitt ein.

II Das Volumen der Arbeit in der Wissensgesellschaft

Der Arbeitsmarkt ist für die Makroökonomie, um Robert Solow8 zu zitieren,
weiterhin ein ungelöstes Puzzle. Die Transformation der modernen Wirtschaft
in eine wissensbasierte Ökonomie erleichtert die Lösung keineswegs. Wie
knapp wird Arbeit in Zukunft sein, und werden ökonomisches Wachstum und
Vollbeschäftigung (aber auch die Ertragskraft von Unternehmen) in Zukunft
in einem sehr viel weniger engen Verhältnis zueinander stehen, als dies etwa
von 1950 bis 1990 der Fall war?9 Diese Frage ist in diesem Jahrhundert natürlich
schon häufiger intensiv diskutiert worden, aber in der Regel unter dem Vor-
zeichen und in der Hoffnung, die Arbeitslosigkeit gezielt bekämpfen und weit-
gehend überwinden zu können. Trotz eines neuen beschäftigungspolitischen
Pessimismus, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen mit anscheinend sta-
bil hohen oder sogar wachsenden Arbeitslosenraten in vielen OECD-Ländern,
gibt es immer wieder optimistische Stimmen, und zwar nicht unter Politikern,
die betonen, dass „Produktivitätsgewinne beschäftigungsmäßig nicht einfach
verpuffen, sondern aufgrund des damit verbundenen Kaufkraftzuwachses an

Eine ausführliche Exegese der unterschiedlichen theoretischen Rekonstruktionen der moder-
nen Arbeitswelt, ihrer Verankerung und ihrer historischen Veränderungen in unterschiedli-
chen Wirtschaftssystemen, der regionalen und nationalen Besonderheiten in verschiedenen
Ländern der Welt, ihrer politischen und sozialen Folgen sowie der sich wandelnden Ein-
stellungen zur Arbeit und des sich verändernden Verlaufs von typischen Arbeitskarrieren
in den letzten Jahrzehnten, um nur einige Elemente einer solchen umfassenden Analyse zu
erwähnen, ist an dieser Stelle weder möglich noch notwendig.
Solow 1985,411.

Rivalisierende Theorieentwürfe heben eine Vielzahl anderer Kräfte hervor, die für die an-
dauernde oder gar wachsende Arbeitslosigkeit in der modernen Wirtschaft verantwortlich
sind. Genannt werden z. B. institutions- und länderspezifische Faktoren (einschließlich der
Wirkungen der Globalisierung) wie die Inflexibilität der Arbeitsmärkte, starre Lohnsyste-
me oder landestypische Innovationssysteme (vgl. Lundvall 1995; Townsend 1997, 22-50) und
universalere Prozesse wie ein säkularer Wachstumsrückgang der Investitionsrate gepaart
mit einem Wachstumsrückgang der Produktivitätsrate (siehe Brenner 1998, ji.). Auf diese
strittige Diskussion werde ich nicht eingehen und mich stattdessen auf die Auswirkung der
emergenten wissensintensiven Ökonomie auf das Volumen der gesellschaftlich notwendigen
Beschäftigung konzentrieren.
 
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