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Kempter, Klaus [Editor]; Boenicke, Rose [Editor]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0392

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380 Michael Rogowski

nichts mit Entzauberung eines Bildungsideals zu tun, sondern ist Teil gesell-
schaftlicher Verantwortung. Denn die Sicherung unserer wirtschaftlichen Zu-
kunftsfähigkeit, unserer technologischen Leistungsfähigkeit, ist die Vorausset-
zung, um auch die vielen anderen Früchte der Bildung ernten zu können.

Wir müssen die Ressource Bildung im Sinne von Ausbildung und - immer
mehr - von lebenslanger Weiterbildung effizient nutzen. Der innerdeutsche
PISA-Vergleich hat gezeigt, in welch hohem Maße Bildung auch ein Standort-
faktor für die einzelnen Bundesländer ist. Das Leistungsgefälle ist gravierend.
Ein Kind, das von Bremen nach Bayern zieht, hat mitunter anderthalb bis
zwei Jahre Rückstand zu seinen neuen Mitschülern. Natürlich hätte es der
geschundenen PISA-Seele gut getan, wenn wenigstens einige Bundesländer in-
ternationales Spitzenniveau hätten - aber weit gefehlt. Die Vorbilder für die
Bildungsoffensive sind im Wesentlichen außerhalb unserer Grenzen zu fin-
den.2

Allerdings sind nicht nur die mangelnden Fähigkeiten deutscher Schüler
im Lesen, Rechnen und in den Naturwissenschaften erbärmlich. Ebenso wenig
hinzunehmen ist, dass rund neun Prozent aller Schulabgänger die allgemein
bildenden Schulen zunächst ohne Abschluss verlassen, dass an den Hochschu-
len durchschnittlich 25 Prozent der Studenten ihr Studium endgültig abbrechen
- in den Sprach- und Kulturwissenschaften sogar 45 Prozent.3 Und es ist auch
nicht vertretbar, dass deutsche Hochschulabsolventen im Schnitt älter als 28
Jahre sind.4

Wir müssen in Deutschland zu einem neuen Leistungs- und Verantwor-
tungsbewusstsein kommen. Auch die Selbstverantwortung des Einzelnen wird
dabei eine völlig neue Rolle spielen. Von einer „Kultur der Anstrengung" ist
die Rede, und das trifft den Nagel auf den Kopf. Gefragt ist ein neuer Ehrgeiz,
wieder zu den Besten gehören zu wollen.

Das gilt nicht nur für Personen, sondern auch für Institutionen. Dafür brau-
chen wir den Wettbewerb autonom handelnder und selbstverantwortlicher
Bildungs- und Forschungseinrichtungen um knappe Ressourcen. Dem steht
das staatliche finanzierte und dirigierte Bildungs- und Forschungssystem in
seiner jetzigen Form in Deutschland entgegen. Trotz einiger Bemühungen um
mehr Autonomie und Wettbewerb werden Bildung und Forschung immer noch
hauptsächlich in Einrichtungen des öffentlichen Rechts betrieben, die zum Teil
sehr detaillierten Weisungen unterliegen. Schüler und Studenten werden auf
die vorhandenen Einrichtungen verteilt. Leistungsanreize sind im System viel
zu schwach ausgeprägt oder gar falsch konstruiert.

2 Baumert et. al. 2002.

3 Hochschul-Informations-System 2005.

4 Statistisches Bundesamt 2004.
 
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