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Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0393

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Freiheit in der Wissensgesellschaft 381

2 Die staatliche Planung von Bildung
und Wissenschaft versagt

Thomas Straubhaar hat bereits 1996 die staatliche Bildungskatastrophe in
Deutschland analysiert und eindringlich beschrieben: „Ein Bildungssystem,
das Staatsfinanzierung und Staatsangebot koppelt und dann die Nachfrage
zum Angebot lenkt, widerspricht nicht nur jeder ökonomischen Logik. Auch
soziale Ziele werden verletzt."5 Beides ist heute in Deutschland mit Händen
zu greifen. PISA ist nicht nur zum Synonym für Schulversagen geworden.
Die internationalen Leistungsvergleiche belegen auch, dass Kinder aus sozi-
al schwächeren Elternhäusern in Deutschland schlechtere Bildungschancen
haben, als vergleichbare Gruppen in anderen Ländern. Die in Deutschland
staatlich verordnete Studiengebührenfreiheit hat den Anteil von Studenten aus
niedrigeren Einkommensschichten jedenfalls nicht erhöhen können.

Hinzu kommt, dass häufig nicht das an Wissen und Bildung produziert wird,
was Wirtschaft und Gesellschaft brauchen. Augenfälligstes Indiz dafür ist die
Tatsache, dass trotz mehr als fünf Millionen Arbeitsloser rund eine Million
Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. Qualifikationsengpässe liegen im-
mer wieder im mathematisch-naturwissenschaftlichen und Ingenieurbereich.
Die Wurzel dafür ist in den Schulen zu suchen. Die staatliche Planung der
Produktion von Bildung und Wissen muss zwangsläufig immer mehr versagen
angesichts des immer schnelleren Wissensfortschritts und Strukturwandels in
der Wissensgesellschaft. Wir brauchen hier grundsätzlich neue Steuerungsin-
strumente, die schneller reagieren und den Menschen echte Entscheidungsal-
ternativen bieten.

Ich plädiere deshalb ganz entschieden dafür, die politisch-administrative
Steuerung durch den Wettbewerb auf Bildungs- und Forschungsmärkten zu
ersetzen. Wettbewerb erhöht den Freiheitsgrad aller Marktteilnehmer, erlaubt
schnellere Fehlerkorrekturen und bringt damit eher das an Bildung und Wissen
hervor, was Wirtschaft und Gesellschaft in einem sich schnell wandelnden
Umfeld brauchen. Drei grundlegende Weichenstellungen sind notwendig:

- Erstens müssen wir dringend mehr öffentliche und private Mittel in Bildung
und Forschung investieren.

- Zweitens müssen wir die öffentlichen Finanzmittel über die Kunden lenken
- also Märkte für Bildung und Forschung organisieren.

- Drittens brauchen Schulen und Hochschulen mehr Eigenverantwortung, um
sich im Wettbewerb behaupten zu können. Der Wettbewerb um die Finan-
zen liefert die Begründung für Autonomie. Wettbewerb und Freiheit sind die
zweiten Seiten einer Medaille. Wissenschaftsfreiheit muss als Wettbewerbs-
freiheit verstanden werden.

Straubhaar 1996,53. Vgl. auch van Lith 1985.
 
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