Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0405

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Universität im Umbau 393

nachfragt. Diese Staatsanmaßung gab es früher nicht. Steuerung gab es auch
damals. Doch es war eine nachlaufende Planung und Steuerung, die aus dem
auswählte, was in der Forschung dezentral und individuell entwickelt und dann
erst in einem kollektiven Prozess des Prüfens aufgenommen und weitergeführt
wurde. Auch damals kamen externe Anstöße hinzu, doch am Anfang steht die
Forschung, erst dann folgt die institutionelle Umsetzung durch universitäre
und außeruniversitäre Gremien.

Dieses Verfahren mit Vorlauf der Forschung vor der administrativen Pla-
nung und Steuerung gilt der Universität der Zukunft, wie sie sich abzeichnet, als
gänzlich veraltet, ineffizient und nicht mehr konkurrenzfähig auf dem globalen
Wissenschaftsmarkt. Gesamtplanung und Detailsteuerung sind die neuen Ziel-
werte, auf die hin die Universität zur Zeit umgebaut wird. Es ist ein Umbau der
Fundamente. Denn die Universität der Zukunft wird als Stätte der Forschung
und der Ausbildung in neuer Weise anhand von Kriterien gemessen, bewertet
und finanziert, die nicht mehr vorrangig von den Forschern bestimmt werden.
Politische Institutionen sprechen in viel höherem Maße als bisher mit, welche
Forschungsbereiche ausgebaut werden sollen und welche nicht, nach welchen
Kriterien die Forschungs- und Lehrleistungen bewertet werden.6

Das Planungs- und Steuerungsinstrumentarium dafür ist schon jetzt weit-
gefächert und wird zügig ausgebaut. Um nur einiges zu nennen: Das Wissen-
schaftsministerium schließt sogenannte Zielvereinbarungen mit der Universi-
tät, die Universitätsleitung mit den Fakultäten, Fächern und was es sonst an
Forschungs- und Lehreinheiten geben mag. Die Universitätsleitung erhält per
Gesetz eine Fülle von Planungs- und Steuerungsrechten, die darauf zielen, die
Hochschule wie ein Wirtschaftsunternehmen leiten und auf neue Aufgaben
ausrichten zu können. Um dies voranzutreiben erhält die Universitätsleitung
selber Organe, die von außen besetzt werden, vor allem auch mit Mitglie-
dern, die nicht wissenschaftlich tätig sind. Fakultät und Senat als die zentralen
Organe bisheriger universitärer Selbststeuerung verlieren dagegen Zuständig-
keiten sogar im Allerheiligsten universitärer Selbstbestimmung, der Aus-
wahl künftiger Professoren. Das neue Hochschulgesetz Baden-Württembergs
nimmt hier der Fakultät jede Entscheidungskompetenz, und der Senat muss
nicht einmal gefragt werden.

Der neuen zentralisierten Entscheidungshierarchie im Innern der Univer-
sität entspricht das steigende Gewicht der Programmforschung, deren Schwer-
punkte außerhalb der Universität festgelegt werden. Beides tendiert dahin, das
Planungs- und Steuerungsinstrumentarium abzukoppeln von den dezentralen
wissenschaftsinternen Entwicklungen als der bisherigen Grundlage nachlau-
fender institutioneller Entscheidungen. Die Wissenschaftsförderung der Eu-
ropäischen Union ist gänzlich auf Programmforschung ausgerichtet, aber auch
der Deutschen Forschungsgemeinschaft, für die deutschen Universitäten der

Das ist eine internationale Entwicklung, deren Ursachen Weingart 2001 plausibel darlegt.
 
Annotationen