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I. Einbeck - Stadtentwicklung im Überblick


10 Heinrich der Löwe (11195) und seine Gattin
Mathilde ( H189). Grabmonument in der ehemaligen
Stiftskirche St. Blasius in Braunschweig
(um 1235/1240).

11 Goldbulle Kaiser Barbarossas von 1154. M. 1:1.
Eine gleiche Bulle befand sich ursprünglich auch
an der nebenstehenden Urkunde vom 1.1.1158.


Die Entwicklung Einbecks zur Stadt läßt sich vereinfachend mit vier Begriffe
umreißen:
Sächsischer Grafenhof - Stift St. Alexandri - Marktsiedlung/Altstadt - Neustadt.
Betrachtet man die einzelnen Phasen der Entwicklung jedoch genauer, so zeigt
sich, daß es eine Vielzahl spannender historischer Vorgänge und Wechselwirkungen
gibt. Selbst wenn wir heute, aufgrund der vorhandenen Quellen, nur einen
Bruchteil davon kennen oder erahnen, lohnt es sich darauf näher einzugehen.
Geschichte und Archäologie, Hausforschung und naturwissenschaftliche Analysen
bilden die Grundlage der folgenden Zusammenschau, die sich am historischen
Ablauf orientiert und schwerpunktmässig die Zeit vom 11. bis 18. Jh. umfaßt.

Von Stift und Markt
1. Der sächsische Grafenhof
ahreswende 1157/1158: Kaiser Friedrich Barbarossa feiert das Weihnachtsfest
in Magdeburg. Anschließend begibt er sich mit zahlreichen Reichsfürsten in die
Pfalz Goslar am nördlichen Harzrand. Am kaiserlichen Hof sind erschienen:
Markgraf Albrecht der Bär, Herzog Friedrich von Schwaben, Markgraf Dietrich von
der Lausitz, Pfalzgraf Friedrich von Wittelsbach und sein Bruder Otto, Pfalzgraf
Friedrich von Sommerschenburg, die Bischöfe von Magdeburg, Bremen und
Hildesheim sowie Rainald von Dassel, sein Kanzler und späterer Kölner Erzbischof.
Unter den Anwesenden ist auch sein Vetter, Herzog Heinrich der Löwe aus dem
Hause der Welfen. Der kaum 30jährige ist seit der Erlangung der sächsischen
Herzogswürde 1142/1143 und der Übertragung der bayerischen Herzogswürde
1156 zu einem der mächtigsten Männer des Deutschen Reiches aufgestiegen (10).
Der Kaiser braucht seine Unterstützung bei militärischen Aktionen zur Wiederher-
stellung der Reichsgewalt in Norditalien und zugleich dessen generelles politisches
Wohlverhalten. Möglicherweise aus diesem Grund kommt es am 1.1.1158 zu einem
für beide Seiten sehr vorteilhaften Gütergeschäft. Kaiser Friedrich tauscht die
Reichsburgen Herzberg und Scharzfels sowie die Pfalz Pöhlde am Südharz gegen
die zähringische Mitgift von Clementia, der Frau Heinrichs des Löwen: die Burg
Badenweiler am Schwarzwaldrand mit 100 Ministerialen und 500 Hufen Land
(ca. 30 qkm). Die neuen Güter am Harzrand tragen wesentlich zur Erweiterung des
schon vorhandenen Besitzes und damit der herzoglichen Macht Heinrichs des
Löwen bei. Bereits 1145 und 1152 hatte Heinrich im Erbgang die Rechte und
Güter der Grafen von Stade, der Grafen von Northeim sowie der Grafen von
Rheinhausen-Winzenburg auf sich vereinigen können. Über seine Eltern war er im
Besitz billungischer Güter um Lüneburg und süpplingenburger Güter im Braun-
schweiger Raum. Im Zusammenhang mit dem oben genannten Gütertausch läßt
sich Heinrich der Löwe eine weitere Urkunde ausstellen, die für die Frühgeschichte
der Stadt Einbeck von herausragender Bedeutung ist (12).
Friedrich Barbarossa bestätigt eine von Heinrich dem Löwen vorgelegte Urkunde
aus der Zeit Kaiser Konrads II. (1024-1039). Darin überträgt Konrad dem Grafen
Udo (von Katlenburg) und seiner Frau Beatrix das Grafenamt im Liesgau und einen
Forst im Harz als Lehen. Von ihren männlichen oder weiblichen Nachkommen soll
derjenige die Lehen erhalten, der zugleich ihr Gut („predium“) an einem Ort, welcher
„Einbike“ hieße, im Besitz habe. Da Heinrich der Löwe Nachfahre von Udo und
Beatrix ist und sich auch erblich im Besitz des Gutes befindet, überträgt ihm der
Kaiser die beiden Lehen erneut. Die besondere Bedeutung der beiden Gütergeschäfte
wird durch den großen Kreis der 21 Zeugen und durch die Tatsache hervorgehoben,
daß die Urkunden ursprünglich mit einer Goldbulle besiegelt waren (11).
Graf Udo gehört zu einer seit 997 bekannten Familie des sächsischen Hochadels,
eines Seitenzweiges der Grafen von Stade. Neben den Grafen von Northeim und
den Grafen von Reinhausen-Winzenburg, sind sie die dritte politisch bedeutende
Familie des südniedersächsischen Raumes. Sie sind Nachfolger in Rechten und
Besitzungen der Immedinger, eines zuvor wichtigen sächsischen Hochadels-
geschlechtes neben den Ottonen. Außer ihnen sind in diesem Raum das Königtum,
die sächsischen Herzoge und das Erzbistum Mainz begütert. Ihre politische Macht
gründet sich auf dörfliche Grundherrschaft, Burgen, Gerichts- und Vogteirechte
sowie Herrschaft über Klöster und Stifte. Der von Graf Udo und seinen Nachfahren
beherrschte Liesgau erstreckt sich von Kalefeld, Echte und Hohnstedt im Nordwesten
bis nach Elbingerode und Pöhlde im Südosten bzw. nach Waake und Landolfshausen
im Süden. Der nordwestlich anschließende Einbecker Raum dürfte ebenfalls dazu
gehören.
 
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