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II. Archäologie in Einbeck


75 Links: Conrad Wilhelm Hase,
gebürtiger Einbecker, renovierte zahlreiche öffentliche
und kirchliche Bauten in Einbeck.
Rechts: Otto Fahlbusch (1888-1971).


76 Ausstellung „Steinzeit“ im Städtischen Museum,
ca. 1938/40.

77 Willi Kellermann und Fritz Lambrecht
mit verschiedenen Funden vom Grundstück
Marktplatz 16/18 bzw. aus der Bruchsteinkloake
Einbeck 20, Mai 1953.


1. Forschungsgeschichte
Als Beginn archäologischer Forschungen in Einbeck kann das Jahr 1863 gelten.
Einer Zeitungsmeldung des Einbeckschen Wochenblattes vom 19. August dieses
Jahres ist zu entnehmen, daß beim Aufräumen der Baugrube für den Neubau des
Hospitals St. Spiritus „Urnen mit Menschenasche und Knochenresten aus der
heidnischen Zeit 5 Fuß unter der Erde“ aufgefunden wurden (Einbeck 39, siehe
Plan der Fundstellen, im hinteren Buchdeckel). Die Interpretation der heute nicht
mehr erhaltenen Fundstücke läßt sicher ebenso zu wünschen übrig, wie die
historisch unzutreffende Information des Redakteurs, daß die Herzoge von Braun-
schweig-Grubenhagen neben St. Spiritus bestattet worden seien.
Die in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s im Rathaus angelegte städtische Altertümer-
Sammlung verwahrte zwar bereits ur- und frühgeschichtliche Funde (u.a. einen
1871 gefundenen „Donnerkeil“ von der Unteren Mühle, vgl. 331) und 1881
geborgene Ausgrabungsfunde aus der Töpferei in Fredelsloh, von einer gezielten
Sammlungstätigkeit mittelalterlichen Fundgutes konnte jedoch keine Rede sein.
Erst die Einrichtung eines Städtischen Museums und die Gründung des Einbecker
Geschichtsvereins in den Jahren 1894 und 1895 scheinen auch der Archäologie zu
vermehrter Aufmerksamkeit verholfen zu haben. Jedenfalls wurden bei der Anlage
einer ersten Kanalisation in der Nähe des Rathauses 1896 Einbecks älteste Ofen-
kacheln geborgen und der Sammlung übergeben (Einbeck 31; vgl. Kap. XI, 14).
Außerdem wurde der Friedhof der Marktkirche mit „metallenen Särgen“ beobachtet
(Einbeck 57). Wenige Jahre zuvor hatte die erste Ausgrabung in Einbeck statt-
gefunden. C.W. Hase, Sohn der Stadt und Begründer der hannoverschen Schule
der Neugotik (75), ließ bei der Sanierung der Marktkirche 1893-1895 mit Erfolg
den Fußboden aufgraben, um die Fundamente eines von ihm behaupteten älteren
Bauabschnitts nachzuweisen (Einbeck 127, vgl. Kap. IX, 2).
Eine aktivere archäologische Forschung setzte in Einbeck erst mit Otto Fahlbusch
ein (75), der von 1913 bis 1936 als Lehrer am Realgymnasium Einbeck wirkte,
das städtische Museum leitete und Vorsitzender des Einbecker Geschichtsvereins
war. Sein besonderes Interesse galt der Ur- und Frühgeschichte (76). Zahlreiche
Feldbegehungen führten bereits 1929 zu einer Bearbeitung der jungsteinzeitlichen
Besiedlung des Kreises Einbeck. Sein Schüler, der Einbecker Werner Buttler, sollte
nur wenige Jahre später eine der ersten deutschen Großgrabungen durchführen,
die flächige Ausgrabung einer Siedlung der ältesten Ackerbauernkultur bei Köln-
Lindenthal. Höhepunkt von Fahlbuschs Tätigkeit war die Ausgrabung der eisenzeit-
lichen Siedlung auf dem Jeinser Feld bei Vogelbeck in den Jahren 1933/34. Von
wenigen Ausnahmen abgesehen wurden innerstädtische Aufschlüsse nicht
beobachtet (Einbeck 58, Eundamentreste des Ostertores).
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die archäologische Forschung vor allem von Fritz
Geschwendt und Georg Ernst gefördert. Geschwendt, Direktor des schlesischen
Landesamtes für Urgeschichte in Breslau, gelangte mit dem Flüchtlingsstrom
1945 in den Landkreis Einbeck, ln Georg Ernst, dem damaligen Museumsleiter
und Stadtarchivar, fand er einen begeisterten Mitforscher. Zahlreiche Baustellen-
beobachtungen, Fundbergungen und Profildokumentationen gehen auf ihr
gemeinsames Konto. Wichtigster Fundkomplex war die große Bruchsteinkloake
in der Sparkassenbaugrube von 1953 (Einbeck 20), bei der erstmalig in Einbeck
nicht nur die vollständigen Kugeltöpfe (77), sondern auch zahlreiche Holzgefäße
geborgen und 1956 auch veröffentlicht wurden. Bereits zwei Jahre vorher war
Geschwendts Buch „Die ur- und frühgeschichtlichen Funde des Kreises Einbeck“
erschienen. Es faßte den damaligen Kenntnisstand von der Altsteinzeit bis zum
Hochmittelalter zusammen.
Auch in den nachfolgenden 1960er und 1970er Jahren standen unterStadtarchivar
und Museumsleiter Erich Plümer vor allem ur- und frühgeschichtliche Funde im
Vordergrund (Plan der Fundstellen im hinteren Buchdeckel, blaue Signatur). Dies
um so mehr, als er durch den Einbecker Schüler und heutigen Göttinger Kreis-
archäologen Klaus Grote zahlreiche Fundmeldungen erhielt. Basierend auf Vor-
arbeiten des Göttinger Geographen Dietrich Denecke, erforschte Plümer, der im
Nebenfach auch Archäologie studiert hatte, vor allem die mittelalterliche Wüstung
Oldendorp zwischen Einbeck und Salzderhelden. ln Plümers Arbeitsjahre fällt der
für Einbeck städtebaulich schmerzliche Abbruch der Neustädter Kirche 1963 und
die partielle Neubebauung des Kirchplatzes 1965 (Einbeck 47; vgl. Kap. IX, 3)
sowie die Sanierung der Stiftskirche St. Alexandri in den Jahren 1974-1978
(Einbeck 84; vgl. Kap. IX, 1). Bedauerlicherweise kam es in beiden Fällen nur zu
ungenügenden Ansätzen einer Dokumentation der aufgedeckten Baubefunde.
Gleichzeitig wurden große Flächen, vor allem im Bereich der Neustadt, an der
 
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