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VI. Straßen und Wege

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Straßen und Wege sowie Marktplätze sind neben den Stadt- und Gewerbebächen
wichtige Bestandteile der städtischen Infrastruktur des Mittelalters. Der älteste
eindeutige Straßenbefund Einbecks konnte vor dem Tiedexer Tor aufgedeckt
werden (238). ln 3 m Tiefe lag ein ca. 50 cm starker Straßenschlammhorizont mit
Steinen, Keramik und Eichenholzbohlen. Die dicht liegenden Eichenhölzer hatten
unterschiedliche Längen von bis zu 2 m und bildeten vor der Tiedexer Torbrücke
eine unregelmäßige Wegebefestigung. Drei von acht Bohlen konnten auf das Jahr
1207d datiert werden. Die Tiefenlage der Bohlen macht deutlich, daß der älteste
Weg aus der Marktsiedlung nach Westen im unmittelbaren Randbereich der Aue
des Krummen Wassers verlaufen sein muß und stark überschwemmungsgefährdet
war. Die Bohlen dienten daher der Befestigung einer oft wohl schwer passierbaren
Wegstrecke, die nach Westen am 1203 gegründeten Hospital Beatae Mariae
Virginis vorbei verlief (vgl. 21).
Annähernd gleich alt sind Straßen- und Wegebefunde, die kurz vor der Gründung
der Neustadt im frühen 13. Jh. entstanden. Es handelt sich um unregelmäßig
muldenförmige, hohlwegartige Trassenverläufe in oder kurz vor dem Altendorfer
bzw. Benser Tor (239). Die verschlammenden Fahrspuren versuchte man ohne
nachhaltigen Erfolg mit einzelnen Steinen, Ast- oder Knüppelhölzern auszubessem.
Gegenüber der mittelalterlichen Landoberfläche wiesen sie Tiefen von bis zu
80 cm auf. Der Trassenverlauf zeigt, daß die spätere Altendorfer bzw. Benser
Straße in ihrer Orientierung bereits existierte, bevor die Gründung der Neustadt
ihren Verlauf bis heute fixierte.

238 Auf der Basis der Baugrube eines neuen
Schmutzwasserkanals im äußeren Tiedexer Tor
sind in ca. 3 m Tiefe die Eichenbohlen (Pfeil) einer
Wegebefestigung aufgeschlossen (Einbeck 216).


239 Schlammgefüllte, hohlwegartige Straßentrasse
(Pfeil) aus der Zeit vor dem steinernen Benser
Torturm (Einbeck 158).

ln der Altendorfer und Benser Straße konnten je zwei Straßengräben nachgewiesen
werden, die bei der Gründung der Neustadt der exakten Festlegung der Straßen-
flucht dienten. Die Gräben hatten schräge Flanken und eine flache Sohle,
gelegentlich waren sie mit Flechtwerk bzw. Knüppelhölzern ausgesteift (240). ln
der Benser Straße waren sie auf Straßenniveau ursprünglich 1,10-1,60 m, in der
Altendorfer Straße ca. 1 m breit und zwischen 0,70 und 0,90 m tief (vgl. 27). Der
Zwischenraum zu den heute stehenden Häuserfluchten mit ihren Gewölbekellem
des 13.-16. Jh.s betrug 3-4 m. Die Auffüllung der Gräben mit schluffigem Boden,
Abfällen und Mist muß sehr rasch erfolgt sein. Das geborgene Eundmaterial
beinhaltet ein sehr einheitliches Keramikspektrum der Zeit um 1230/1240
(vgl. Kap. XX). Die Gräben begrenzten eine Straße von ca. 7,50 m (Altendorfer
Straße) bzw. 9 m Breite (Benser Straße), deren ältestes Niveau durch Knüppelholz-
lagen aus dünnen Weiden- oder Haselruten gekennzeichnet war. Diese ältesten
Straßenbefestigungen ließen sich ab der Kreuzung Altendorfer Straße/Rosenthal
auf 35 m Länge nach Osten verfolgen. Im späteren Stadttorbereich lagen sie in
einer Tiefe von 2,60-2,80 m unter der heutigen Oberfläche (241). ln zwei Fällen
haben sich darin tief eingefahrene Wagenspuren nachweisen lassen, die belegen,
daß die Straße in der ersten Hälfte bzw. Mitte des 13. Jh.s von Erachtwagen und
Karren mit einem Radabstand von ca. 1,20 m befahren wurde (244). Dieses Maß
entspricht den bekannten Fahrzeugen des Mittelalters.


240 Ältester Straßengraben mit Flechtwerk-
Auskleidung in der Altendorfer Straße (Einbeck 165).


241 Querschnitt durch die Straßenschichten im inneren Altendorfer Tor (Einbeck 165).
An der Basis graue Straßenschlammniveaus mit Astlagen und Knüppelhölzern, darin Spuren
von Wagenrädern (Pfeile). Darüber jüngere Straßenschotterungen des 14.-17. Jh.s und ein
Kalksteinpflaster der hannoverschen Chaussee des 18./19. Jh.s mit eingefahrenen Radspuren.
 
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