Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext



13. Jahrhundert
Obschon aus der Frühzeit der Stadt Einbeck bis jetzt kein Kachelofen in situ aus-
gegraben wurde, belegen doch eine Reihe gut datierbarer Kacheln die Existenz
dieser Ueizungsart seit der Zeit um 1200. So sind aus der jüngeren Produktionsphase
der Töpferei am Negenborner Weg, d.h. zwischen 1200 und 1230/40, Spitzkacheln
als Produktionsabfall erhalten geblieben (vgl. Kap. XII, 1). Es handelt sich um
unglasierte, grob gemagerte graue Irdenware (455; 456,1). Wir kennen diese Zeu-
gen der ältesten Einbecker Kachelöfen aber auch aus der Innenstadt: So wurden
auf dem Marktplatz (Einbeck 31; 456,2-3) und direkt am Marktplatz (Einbeck 79)
mehrere Kacheln dieses Typs geborgen.


Die Spitzkacheln waren mit ihrer Öffnung gegen den Raum hin in der Ofenwandung
eingelassen, so daß die Wärme gut abstrahlen konnte. Sie gehörten vermutlich zu
einer einfachen Ofenform, wie sie beispielsweise in einer Würzburger Handschrift
der Mitte des 13. Jh.s als Illustration des Monats Januar dargestellt wurde (vgl. 454).
Das Bild zeigt einen Mann, der auf einem hölzernen Hocker vor dem Ofen sitzt. Er
hat einen Stiefel ausgezogen und wärmt seinen nackten Fuß an einem Glutbecken.
Gleichzeitig trinkt er aus einer hölzernen Daubenschale. Der Ofen ist dreiteilig
aufgebaut: lm untersten Bereich befindet sich ein Wärmefach. Darüber sind zwei
durch ein Gesims abgestuft zurückversetzte Ofenteile dargestellt. Aufgrund der
aus Einbeck überlieferten Ofenlehmteile (s.u.) kann man annehmen, daß es sich
um Gesimse aus Ofenlehm handelt. Die Kleinheit des dargestellten Ofens braucht
nicht zu erstaunen: ln der mittelalterlichen Kunst wird oft nach dem Bedeutungs-
maßstab gemalt, indem der inhaltlich wichtige Teil (hier die Person) deutlich
größer dargestellt wird, als die damals nebensächlichen Objekte.




212

456 Die Entwicklung der Ofenkacheln in Einbeck.
1-5 Spitzkacheln, um 1200 bis 14. Jh. M. 1:3.

14. Jahrhundert
lm 14. Jh. wurde in Einbeck an der Grundform der einfachen Ofenkacheln festge-
halten. Es handelt sich weiterhin um Spitzkacheln, die überwiegend in einheitlicher
Grauware hergestellt wurden: Da die Kacheltypen unverändert bleiben, kann man
auch annehmen, daß das Aussehen der Öfen sich nicht wesentlich von der oben
ausgeführten Vorstellung unterschied.
Die zeitlich gut faßbaren Stücke stammen aus dem Nonnenkloster auf der
Neustadt (Einbeck 35), das 1318 dort angesiedelt wurde und aus der Woolworth -
Baugrube (Einbeck 79) (456, 4-5). Beiden Stücken ist gemeinsam, daß ihre
Mündungsdurchmesser im Vergleich zu den älteren Stücken des Negenborner
Wegs kleiner werden. Auch erhalten sie einen runderen Boden und ein stärker
ausgeprägtes, teilweise gerieftes Halsfeld. Ihre Randform ist identisch mit
zeitgleichen Kugelbechern und ihre Machart unterscheidet sich in den sorgfältigen
Drehspuren und in der feineren Ware von den älteren Stücken des Negenborner
Wegs.
ln der 2. Hälfte des 14. Jh.s gelangte eine technische Innovation nach Einbeck,
die den Öfen ein völlig neues Äußeres gab. Wie in anderen Regionen Deutschlands
auch, wurden die Kacheln nun aus zwei Teilen hergestellt: Die sogenannte
„Halbzylinderkachel“ (459) besteht aus einer im Model hergestellten Vorderseite
(Kachelblatt), die ein Reliefmotiv aufweist. Für die Rückseite wurde ein Zylinder
mit Boden gedreht und in der Länge halbiert. Nachdem die beiden Teile
zusammengefügt waren, wurde in einem letzten Arbeitsschritt das Kachelblatt
dem Motiv entlang aufgeschnitten, so daß eine Nische entstand. Diese Kacheln
wurden meistens grün glasiert.
Neben wenigen Fragmenten dieses Kacheltyps ist uns vom Grundstück Hohe
Münsterstr. 24 (Einbeck 197) ein fast vollständiges Exemplar aus einem abge-
brochenen Kachelofen (Befund 18; 457) erhalten geblieben Die Halbzylinderkachel
zeigt ein ausgeschnittenes Maßwerk mit Dreipaß und im erhaltenen Eckzwickel
einen zurückblickenden Pfau im Blattwerk (459,1). Sie ist aus helltoniger Irdenware
gefertigt und grün glasiert. Diese Art der Halbzylinderkachel ist weit verbreitet und
wird meistens nach ihrem ersten bekannten Fundort, der Burg Tannenberg in
Hessen, „Typ Tannenberg“ genannt. Da diese Burg 1399 zerstört wurde, kann man
davon ausgehen, daß Kacheln dieser Art an verschiedenen Produktionsorten in der
2. Hälfte des 14. Jh.s hergestellt wurden. Wie Vergleichsfunde aus Südnieder-
sachsen zeigen, handelt es sich bei unseren Stücken um regionale Produktion,
möglicherweise aus Coppengrave. Allerdings sind andere Töpferorte wie Fredelsloh
nicht auszuschließen.
 
Annotationen