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Sicher der ungewöhnlichste Fund in dem hier behandelten Zusammen-
hang ist ein vollständiger Dominostein, der aus einem Kalkstein geschnitzt
wurde und die Augen 2/4 aufweist (692). Domino ist die italienische(?)
Umformung eines ursprünglich chinesischen Kartenspiels. Bis vor wenigen
Jahren nahm man an, daß Domino sich erst im Verlauf des 18. Jh.s und
dann vor allem aufgrund der napoleonischen Kriege in Mitteleuropa
ausbreitete.

689 Kegelknochen aus Zehengliedem von Rindern.
Ursprünglich waren sie mit Metall gefiillt um besser
zu stehen, frühes 14. bis Mitte 15. Jh. (Einbeck 185).
M. ca. 1:2.

690 „Brummknochen“ oder „Schnurrer“ aus den
Mittelfußknochen junger Schweine hergestellt,
2. Hälfte 13. bis 2. Hälfte 16. Jh. (Einbeck 172, 185).
Links nach Funden aus Lübeck bzw. Einbeck
rekonstruiertes Spielgerät mit Schnur und Grijfhölzem.
M. ca. 1:3,5.

Aus durchbohrten Mittelfußknochen von jungen Schweinen (690) ließ sich ein
anderes, von der zweiten Hälfte des 13. bis ins 16. Jh. beliebtes Spielgerät herstellen.
Der Knochen wurde in der Mitte durchbohrt, eine Schnur hindurchgezogen und
diese an beiden Enden mit Holzknebeln versehen, die man in der linken bzw.
rechten Hand hielt. Nun konnte man den Knochen am Faden um seine eigene
Achse schwingen, wobei sich der Faden verzwirbelte und Spannung aufnahm. Zog
man dann die beiden Holzknebel in entgegengesetzte Richtung auseinander so
drehte sich der Brummknochen mit hoher Geschwindigkeit um seine Achse und
machte dabei seinem Namen alle Ehre. Wie beim JoJo reichte ein geschickt dosierter
Drehschwung aus, daß der Knochen den Faden diesmal andersherum wieder
aufwickelte und das Spiel von neuem beginnen konnte.
Seit der Zeit um 1500 scheinen aber die verschiedenen Spiele, die man mit Murmeln,
Klickern oder Schussern spielen konnte, die Spiele mit Knochen an Beliebtheit
deutlich übertroffen zu haben (691). Zwar finden sich einzelne Murmeln aus grauer
Irdenware schon in der zweiten Hälfte des 13. Jh.s (691 rechts Mitte), doch kommen
größere Mengen von Steinzeug-Murmeln erst in Abfallschichten ab 1500 vor. Bis
ins 19. und 20. Jh. werden Kugelgröße, Material und Farbigkeit vielfach variiert:
glasierte und unglasierte Tonmurmeln in gelb, rot, braun, hell und mit silbrigem
Überzug, Steinzeugmurmeln und Murmeln mit bunter Bemalung aus weißer
Glasfritte sowie Glasmurmeln mit bunten Schlieren. Ein Herstellungszentrum für
Steinzeug-Murmeln war Großalmerode in Nordhessen. Geschicklichkeit und
Treffgenauigkeit gaben bei den Murmelspielen den Ausschlag. Wer zu schlecht
traf oder zielte, dem konnte es passieren, daß er rasch alle seine Murmeln an den
gegnerischen Spieler verlor.
Von den Murmeln ist es nur noch ein kleiner Schritt zu den Glücksspielen der
Erwachsenen, die seit germanischer Zeit mit Vorliebe mit einem oder mehreren
Würfeln gespielt wurden (695). Nicht selten ging es dabei um Geld, Haus, Hof und
Besitz und, wenn sich zwei Spieler nicht einig wurden, gelegentlich auch ums
Leben (696). Die ausufernde Spielsucht, an der Kartenspiele ebenfalls einen großen
Anteil hatten, führte auf der einen Seite sehr bald zu juristischen Regelungen,
etwa im berühmten niedersächsischen Rechtsbuch, dem Sachsenspiegel, auf der
anderen Seite zur religiös-moralisch motivierten Verteufelung des Spielens. Ändern
tat sich dadurch bis auf den heutigen Tag wenig.
Es gab reine Würfelspiele, aber auch Spiele, die in Verbindung mit Spiel-
steinen gespielt wurden, wie z.B. Trictrac, das etwa unserem heutigen
Backgammon entsprach. Hatte man nicht genügend Geld für geschnitzte
oder gedrechselte Spielsteine aus Knochen, Holz oder Elfenbein, so taten
es zugerichtete Keramikscherben, Schiefer-, Kalk- oder Sandsteinplättchen
auch (694). Außer Trictrac konnte man damit natürlich auch noch Mühle,
Dame und andere Brettspiele, wie etwa die Hasenjagd, spielen.

691 Murmeln aus verschiedenen
Einbecker Fundstellen, 2. Hälfte 13. bis 20. Jh.
M. ca. 1:1.

Literatur:
Biddle 1990. Blaschitz 1995. Gläser 1995.
Grönke/Weinlich 1998. Hermann 1995. Pfeiffer 1994.
Tamboer 1999. Zangs/Holländer 1994.

Neufunde aus England und jetzt auch das Stück aus Einbeck lassen an
dieser Sicht jedoch begründete Zweifel aufkommen. So konnte u.a.
an Bord der 1546 gesunkenen Mary Rose, des Flaggschiffs von König
Heinrich VIII., ein Dominostein gefunden werden. Das Einbecker Stück
lag in einem Schichtzusammenhang der Zeit um 1500 im Zehnthofareal
am Petersilienwasser (Einbeck 185).

Im Grenzbereich von Spiel und Musik liegen die Maultrommeln oder Trompen (693).
Sie finden sich in zahlreichen mittelalterlichen Städten und auf Burgen Mittel-
europas. Maultrommeln bestehen aus einem kräftigen Metallbügel und einer
dünnen Stahlzunge. Beim Spielen dient die Mundhöhle als Resonanzkörper. Man
preßt den Bügel der Maultrommel gegen die Zähne und zupft an der Stahlzunge,
die je nach Volumen der Mundhöhle einen höheren oder tieferen Ton erzeugt.
Auf diese Weise lassen sich sowohl rhythmische Begleitungen, als auch einfache
Melodien spielen. Die drei bislang aus Einbeck bekannten Exemplare datieren in
das 14. bzw. in das 18./19. Jh.

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