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falls für einen Spaß zu gut. — Und daß die Aſſaire ernſthaft ge-
meint ſei —!“ ö ö
„Philipp Jacob Wyngard/⸗ erwiderte Hofmann mit gehobenem Kopfe,
„eiu altes, reiches und ſtolzes Banquierhaus, ſo eingenommen für ſeinen
Glanz und Ruhm, wie ein uraltes, reichsfürſtliches Geſchlecht. — Der
alte Prinzipal mit dem ſteifen Halsgenick, worauf das zierliche Haar-
beutelchen wackelt, würde den Herrn Sohn mit einer ſolchen Mesalliance
ſchön zum Henker jagen!“
Man wollte ſich noch eines Weiteren über dieſes, wie es ſchien, intereſ-
ſante Thema verbreiten; allein der Wirth Kran eilte mit freudeſtrahlendem
Antlitze in die Stube.
„Er kommt!“ ſchallte es von ſeinen
die ganze Künſtlergeſellſchaft auf den Beinen.
ſo lebhaft geſchehen, daß einige der hölzernen
Fußboden umſchlugen.
Lippen und wie' der Blitz ſtand
Doch war die Erhebung
Stühle krachend auf den
(Fortſetzung folgt.)
Vermiſchtes.
Ueber das in der Nacht vom Samſtag auf
den Sonntag in Tegernſee ſtattgehabte Haber-
feldtreiben erfährt ein Münchner Efgeddee
dent der „Augsb. Abdztg.“ noch folgendes
Nähere: Gegen Mitternacht wurde die Ein-
wohnerſchaft des Marktes durch einen entſetz-
lichen Tumult aus dem Schlafe geſchreckt.
Böllerſchüſſe, knallende Büchſen, ſodann hoch
in die Lüfte ſteigende Schwärmer nebſt dem
ohrenbetäubenden Geknatter von Handmühlen
und aufeinander fallenden Brettern verkünde-
ten das Beiſammenſein von Haberfeldtrei-
bern. Die Beherzteren ſtürmten aus den
Häuſern, hinauf zu der ſogenannten „Hachl“,
wo gegen 2009 Burſche, das Geſicht mit Pul-
ver geſchwärzt, verſammelt waren. So eben
verlas eine weithin verſtändliche Stentorſtimme
die uſurpirten Namen der Betheiligten, d. h.
es wurden die Namen geachteter Beamten,
Bürger und Bauern aufgerufen und mit lau-
tem hier! hier! von den Einzelnen im Troß
beantwortet. Als Dies geſchehen, ordnete ſich
der Haufe und zog den Berg herab in den
Ort hinein. Doch die Vorpoſten deſſelben
ſtießen zuvor noch auf einen Gendarmen, der
es ſich, obſchon von den Umſtehenden dringend
gewarnt, in ſeinem Dienſteifer nicht nehmen
ließ, den Herankommenden „Halt“ zu gebie-
ten. Da Letztere dieſen Ruf nicht beachteten,
gab er Feuer, und nun entſtand ein Geplän-
kel, wobei der Gendarm, von vier Kugeln
getroffen, ſchwerverwundet niedergeſtreckt wurde,
ſo daß er noch Sonntags ſtarb. Elnen meinte
er erkannt zu haben, zwar nahm er es nicht
auf ſein Gewiſſen; der von ihm Beſchriebene
war ein 62jähriger Kohlenbrenner, welcher
auch Tages darauf feſtgenommen worden ſein
ſoll. Dieſe traurige Epiſode hinderte die
Haberfeldtreiber nicht an ihrem einmal ge-
faßten Beſchluß, und es wurde an vier weit-
bekannten Perſönlichkeiten die eigenthümlkche
Lynch juſtiz zum Vollzug gebracht. Nach jedem
einzelnen Paragraph des in Knittelverſen ab—⸗
gefaßten Sündenregiſters brach ein neuer,
gräßlicher Lärm los, jedoch wurde an Hab
und Gut nichts gefährdet. Nach beendeter
Scene erſcholl ſchier mit ohrenzerreißender
Stärke ein dreimaliges Hoch! auf den Prin-
zen Carl und auf den Herrn Landrichter.
Sodann bewegte ſich der Haufe nach Gmund,
um das Spektakel an einem andern Auser-
leſenen zu wiederholen. Es ſcheint, daß dieſes
zwiſchen der Iſar und dem Inn gehandhabte
Volksgericht, welches bei der Ohnmacht der
Geſetze in den Zeiten des 30jährigen Krieges
-zum Erſtenmal aufgetaucht, trotz Exekution,
Arreſt und eiſener Strenge unausrottbar bleibt.
Aktionär oder reactlonär? Als neulich in
Bromberg die Verſammlung der Feudalen ge-
tagt hatte, wurde bei dem Schluß verkündigt,
daß diejenigen Mitglieder, welche Aktionäre
wären (das Organ des Vereins iſt auf Aktien
gegründet), zu einer Privatbeſprechung noch
zurückbleiben möchten. In dem engern Kreiſe
blieb ein Schneidermeiſter zurück, obwohl er
den Beitrag von 25 Thlrn. nicht gezahlt
hatte. Um ihm die Inkonvenienz bemerklich
zu machen, ſagte einer der Anweſenden: „Nun,
Hr. Z., ſind fie auch noch hier?“ „Ja“, ant-
wortete dieſer mit Selbſtgefühl, „ich bin auch
reactionäͤr.
Redaction, Druck und Verlag von Adolph Emmerling.
falls für einen Spaß zu gut. — Und daß die Aſſaire ernſthaft ge-
meint ſei —!“ ö ö
„Philipp Jacob Wyngard/⸗ erwiderte Hofmann mit gehobenem Kopfe,
„eiu altes, reiches und ſtolzes Banquierhaus, ſo eingenommen für ſeinen
Glanz und Ruhm, wie ein uraltes, reichsfürſtliches Geſchlecht. — Der
alte Prinzipal mit dem ſteifen Halsgenick, worauf das zierliche Haar-
beutelchen wackelt, würde den Herrn Sohn mit einer ſolchen Mesalliance
ſchön zum Henker jagen!“
Man wollte ſich noch eines Weiteren über dieſes, wie es ſchien, intereſ-
ſante Thema verbreiten; allein der Wirth Kran eilte mit freudeſtrahlendem
Antlitze in die Stube.
„Er kommt!“ ſchallte es von ſeinen
die ganze Künſtlergeſellſchaft auf den Beinen.
ſo lebhaft geſchehen, daß einige der hölzernen
Fußboden umſchlugen.
Lippen und wie' der Blitz ſtand
Doch war die Erhebung
Stühle krachend auf den
(Fortſetzung folgt.)
Vermiſchtes.
Ueber das in der Nacht vom Samſtag auf
den Sonntag in Tegernſee ſtattgehabte Haber-
feldtreiben erfährt ein Münchner Efgeddee
dent der „Augsb. Abdztg.“ noch folgendes
Nähere: Gegen Mitternacht wurde die Ein-
wohnerſchaft des Marktes durch einen entſetz-
lichen Tumult aus dem Schlafe geſchreckt.
Böllerſchüſſe, knallende Büchſen, ſodann hoch
in die Lüfte ſteigende Schwärmer nebſt dem
ohrenbetäubenden Geknatter von Handmühlen
und aufeinander fallenden Brettern verkünde-
ten das Beiſammenſein von Haberfeldtrei-
bern. Die Beherzteren ſtürmten aus den
Häuſern, hinauf zu der ſogenannten „Hachl“,
wo gegen 2009 Burſche, das Geſicht mit Pul-
ver geſchwärzt, verſammelt waren. So eben
verlas eine weithin verſtändliche Stentorſtimme
die uſurpirten Namen der Betheiligten, d. h.
es wurden die Namen geachteter Beamten,
Bürger und Bauern aufgerufen und mit lau-
tem hier! hier! von den Einzelnen im Troß
beantwortet. Als Dies geſchehen, ordnete ſich
der Haufe und zog den Berg herab in den
Ort hinein. Doch die Vorpoſten deſſelben
ſtießen zuvor noch auf einen Gendarmen, der
es ſich, obſchon von den Umſtehenden dringend
gewarnt, in ſeinem Dienſteifer nicht nehmen
ließ, den Herankommenden „Halt“ zu gebie-
ten. Da Letztere dieſen Ruf nicht beachteten,
gab er Feuer, und nun entſtand ein Geplän-
kel, wobei der Gendarm, von vier Kugeln
getroffen, ſchwerverwundet niedergeſtreckt wurde,
ſo daß er noch Sonntags ſtarb. Elnen meinte
er erkannt zu haben, zwar nahm er es nicht
auf ſein Gewiſſen; der von ihm Beſchriebene
war ein 62jähriger Kohlenbrenner, welcher
auch Tages darauf feſtgenommen worden ſein
ſoll. Dieſe traurige Epiſode hinderte die
Haberfeldtreiber nicht an ihrem einmal ge-
faßten Beſchluß, und es wurde an vier weit-
bekannten Perſönlichkeiten die eigenthümlkche
Lynch juſtiz zum Vollzug gebracht. Nach jedem
einzelnen Paragraph des in Knittelverſen ab—⸗
gefaßten Sündenregiſters brach ein neuer,
gräßlicher Lärm los, jedoch wurde an Hab
und Gut nichts gefährdet. Nach beendeter
Scene erſcholl ſchier mit ohrenzerreißender
Stärke ein dreimaliges Hoch! auf den Prin-
zen Carl und auf den Herrn Landrichter.
Sodann bewegte ſich der Haufe nach Gmund,
um das Spektakel an einem andern Auser-
leſenen zu wiederholen. Es ſcheint, daß dieſes
zwiſchen der Iſar und dem Inn gehandhabte
Volksgericht, welches bei der Ohnmacht der
Geſetze in den Zeiten des 30jährigen Krieges
-zum Erſtenmal aufgetaucht, trotz Exekution,
Arreſt und eiſener Strenge unausrottbar bleibt.
Aktionär oder reactlonär? Als neulich in
Bromberg die Verſammlung der Feudalen ge-
tagt hatte, wurde bei dem Schluß verkündigt,
daß diejenigen Mitglieder, welche Aktionäre
wären (das Organ des Vereins iſt auf Aktien
gegründet), zu einer Privatbeſprechung noch
zurückbleiben möchten. In dem engern Kreiſe
blieb ein Schneidermeiſter zurück, obwohl er
den Beitrag von 25 Thlrn. nicht gezahlt
hatte. Um ihm die Inkonvenienz bemerklich
zu machen, ſagte einer der Anweſenden: „Nun,
Hr. Z., ſind fie auch noch hier?“ „Ja“, ant-
wortete dieſer mit Selbſtgefühl, „ich bin auch
reactionäͤr.
Redaction, Druck und Verlag von Adolph Emmerling.