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Heidelberger Familienblätter — 1862

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Nr. 15 - Nr. 26 (2. Februar - 28. Februar)
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Heidelberger Familienblätter.

Nr. 25. ö Mittwoch, den 26. Februar 1862.

Mozart bei der Kaiſerkrönung.

Hiſtoriſch⸗ romantiſches Zeitbild aus Frankfurts Vergangenheit im Jahre 1790
von G. W. Pfeiffer.

(Fortſetzung.)

Der Spielende hatte jedoch für ihn keine Augen. In jener Welt,
zu der er ſich in dieſem Momente aufgeſchwungen, gab es keine müßi-
gen Gaffer, hier umſchwebten ihn nur Lichtgeſtalten auf lieblich tönenden
Seraphsſchwingen.
Als aber am Ende den Unverſtändigen das Tongemälde Mozarts
immer verworrener und undeutlicher erſchien, das ſte nur langweilen
konnte, wandten ſich erſt ihre Blicke, dann ihre Köpfe unruhig hin und
her und allmälig entſchlüpften ihrem Munde leiſe, ziſchelnde Fragen und
zuletzt ziemlich laure Aeußerungen.
Anna, dieſes wahrnehmend, ward bleich, und Vater Wyngard, ſowie
Alfred, verriethen die größte Unruhe.
Da war es, als ob der ſpielende Meiſter plötzlich wie aus einem
Traum erwachte. Das zum Himmel gerichtete, mit unſicherm Blick er-
füllte Auge nahm plötzlich etwas Feſtes — Durchdringendes an und ſeine
ſeither ſo geiſtvolle Miene uͤberflog ein ſareaſtiſcher Zug, der ſich zuletzt
in ein gemüthliches Lächeln verwandelte.
In ſolcher Weiſe faßte er den hierüber beinahe betretenen Kobmans
ſcharf ins Auge und ſchlug auf einmal, die Hände hoch aufhebend, einen
ſonderbaren, faſt möchte man ſagen, mißtönenden Accord auf dem
Flügel an.
Die ſchrillen Laute hatten die verlorene Aufmerkſamkeit ſchnell wieder
hergeſtellt, und nun ſtrömte von Mozarts Fingern mit einem Male in
vollen Accorden die Melodie eines wohlbekannten Liedes, die um ihrer
feltſamen, neuen Harmonieen die Kenner entzückte und die übrigen Zu-
hörer wegen ihrer Volksthümlichkeit im innerſten Herzen erfaßte.
„Wahrhaftig, Freut euch des Lebens!“ platzte jetzt Kobmans mit
vor Vergnügen ſtrahlenden Augen los und Mozart nickte lächelnd, indem
er fortfuhr, die beliebte und ſchöne Volksmelodie mit neuen und über-
raſchenden Harmonieen durchzuführen.
Jetzt war wieder Alles Ohr, und als nun zuletzt Mozart noch einen
beliebten Walzer und zum Schluſſe gar einen Engliſchen dem Volksliede
einflocht, Läufer perlten, Triller wirbelten und er ſogar mit den Händen
über das Kreuz ſpielte, da vermochte das Auditorium nicht, ſich länger
zu halten. Im allgemeinen Beifallsſturme mußte er ſein Spiel ſchließen
und Kobmans ſtürzte auf ihn los, mit nervigen Armen ihn an ſeine
breite Bruſt drückend, indem er in übergroßer Freude vielleicht ein Un-
glück angerichtet haben würde, wenn nicht Alfred rettend dazwiſchen ge-
treten wäre und den Meiſter von dieſem beifallswüthigen Anfalle be-
freit hätte.
 
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