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Heidelberger Familienblätter — 1862

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Nr. 130 - Nr. 142 (2. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43183#0533

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Heidelberger Kamilienblätter.

Nr. 133. Sonntag, den 9. November 1862.

Die myſteriöſe Schrift
ö oder

Ein räthſelhaftes Verbrechen.
Amerikaniſche Criminal⸗Novelle. Nach dem Engliſchen des H. L. denpftarb

(Schluß.) ö ö
— Ich brach unſern Schwur, Blount, ſagte der Sterbende, aber
nur um meinem Gewiſſen Frieden zu verſchaſſen. Ich kann nicht ſter-
ben, ohne ein freundliches Wort von Dir zu hören.
— John, ſagte Blount milde, Du haſt genug gelitten zur Buße für
Deine Schuld.
— Mein Leben, Blount, war eine lange Todes qual.
— Armer Bruder! ſagte Blount mit unendlicher Weichheit. Ere er-
griff die abgezehrte Hand ſeines Bruders und drückte fie zärtlich.
Das Antlitz des Sterbenden erheiterte ſich.
— Edle, großmüthige Seele! Dein Händedruck ſagt mir, daß Du
nicht unverſöhnlich biſt. Ich darf auf Deine Vergebung hoffen. ö
— John, ſagte Blount innig, möge Gott Dil vergeben, wie ich 6
thue!
— Und ſelbſt dies letzte Geſtändniß kann mir nicht Deine dan-
bung entziehen?
— Nein, John, nichts — ö
— Böſe war ich von Kindesbeinen an. O, daß ich mich von Dir
hätte leiten laſſen! Aber Klagen ſind jetzt nutzlos.
— Sei ruhig, ich bitte Dich, ſagte Blount. ö
— O, ich bin ruhig. Meine erloſchenen Kräfte können nicht wieder
rege werden. Wehe mir! welch ein verfehltes Leben!
Ein tiefer Seufzer entfuhr ihm.
— Mutter iſt in dem Familiengewölbe beigeſetzt, Blount —
— Aber ich wünſche nicht dort begraben zu werden. Möge ſie in
ihrer Reinheit ſchlafen. Du magſt, wenn an Dich die Reihe kommt, an
ihrer Seite ruhen. Aber mir muß ein anderer Platz beſchieden ſein.

Er hielt inne. * —
— Du wirſt meine letzte Bitte erfüllen, Blount, nicht wahr? —
— Aufs Heiligſte!

So begrabe mich denn an ihrer Seite. Lege unſere Gebeine neben
Ford — die meinigen neben die reine, liebliche, hingeopferte Emilie
or
Blount drückte ſeine Hand und verſprach ihm, daß er ſeinen Wunſch
erfüllen würde.
Jetzt kann ich ruhiger ſterben. Das Geheimniß drückt mein Herz
nicht mehr. O, daß ich es vor Jahren enthüllt hätte.Aber ich durfte nicht.
 
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