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Heidelberger Familienblätter — 1862

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Nr. 27 - Nr. 39 (2. März - 30. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43183#0116

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— 112 —
und dann die drei Compagnieen reitender Bürger, die Geleitsreiter, mit
Trompeten und Standarten anreihten. Wenn nun dieſer Anfang eine be-
ſcheidene Herrlichkeit entwickelte, ſo übertrafen nun die folgenden wirklich
zahlloſen, buntgemalten und reich vergoldeten ſechsſpännigen Staatska-
roſſen mit der prachtvoll gekleideten Dienerſchaft zu Pferd und zu Fuß
und den vielen Muſikchören von Trompetern und Paukern alle Erwar-
tungen. Den Culminationspunkt von Glanz und Herrlichkeit erreichte je-
doch dieſe Kaiſereinzugsfeier, als die Geiſtlichen Kurfürſten von Mainz,
Cöln und Trier in ihren Staatswagen, deren jeder ein vergoldetes Kunſt-
gebäude vorſtellte, heranſchaukelten. Die koſtbaren Pferde, die feenhaft
gekleideten Diener, die berittenen Nobelgarden mit Trompetern und Pau-
kern überragten weit Alles bis jetzt Dageweſene und ſelbſt der dieſen fol-
gende Kaiſerliche Wagen mit der Majeſtät vermochte nicht den Glanz

der drei geiſtlichen Würdenträger zu verdunkeln.
Jetzt war des Kaiſers Wagen zu dem Rathsgezelt gelangt und hielt

daſelbſt an.

Der aufgeſtellte Rath begrüßte den Kaiſer durch eine drei-

malige Verbeugung und die Bürgermeiſter mit einem Syndicus traten zum

Kutſchenſchlage, Majeſtät in einer Anrede begrüßend und die
Huldvoll dankte der Begrüßte mit wenigen Wor-

ſchlüſſel überreichend.

Stadt-

ten, wobei er indeſſen die Schlüſſel den Burgermeiltern unter verbindlicher

Rede zurückgab.

(Fortſ. f.)

Vermiſchtes.

Berlin. Eine neue Art Trommeln
wird jetzt bei dem Heere eingeführt: die Kaffee-
trommeln. Es iſt nämlich allerhöchſten Orts
angeordnet worden, daß kunftig bei der Ver-
pflegung in der Beiwache im Frieden wie im
Kriege Kaffee an Stelle des Branntweins ge-
geben werden ſoll, da die bei den letzten Ma-
növern gemachten Verſuche mit Verabreichung
von Kaffee bei den Soldaten mehr Anklang
gefunden haben, als der Branntwein. Der
Kaffee wird den Soldaten in gebrannten Boh-
nen geliefert werden, da die bei einzelnen hie-
ſigen Truppentheilen mit Kaffee-Conſerven, wie

ſie im öſterr. Heere gegeben werden, angeſtell⸗z

ten Verſuche nicht befriedigten.

Bekanntlich gehören die jungen Wienerinnen
zu den raſenden Tänzerinnen. Sie bemerken
nicht einmal, oder wollen es nicht bemerken,
wenn ihnen im wirbelnden Wiegen und Dahin-
fliegen ein Ballſchuh abhanden kommt. Rüſtig
wird auf dem dünnen Gewebe häuslichen Frauen-
fleißes, auf dem Strumpf fortgetanzt. „Das
glaube ich nicht“, denkt hier gewiß manche un-
ſerer jungen ranzluſtigen Leſerinnen, und doch
iſt es ſo. Am Tag nach dem heurigen Ju-
riſtenball in Wien, der füͤr einen ſehr diſtin-
guirten gilt, wurden der Poltzet jenes Bezirks,
zu dem der Rayon des Sophienbades gehört,
jene Gegenſtände übergeben, die bel dem Ju-
riſtenballe im Sophienſaal verloren gegangen

und nachträglich aufgefunden worden ſind. Unter
dieſen verlorenen Sachen befand ſich natürlich
kein einziges verlorenes Frauenherz, — es iſt
ein Glück, daß, die Polizet mit dieſen nichts
zu thun hat, — aber es fanden ſich an zwölf
Ballſchuhe, von denen jeder, abſeits von ſei-
nem Angehörigen, zu einem langweiligen Ein-
zelleben verdammt war. Ob ſich wohl die zu
dieſen Schuhen gehörigen jungen Tänzerinnen
melden werden? Wenn die tanzluſtigſten jun-
gen Damen am Ende des Faſchings zu krönen
wären, ſo ginge man nicht fehl, wenn man
denen die erſten Preiſe im Carneval gäbe, die
einen ihrer Ballſchuhe auf dem Schlachtfelde
gelaſſen haben.

Auch ein Fortſchritt, berichtet das Tageblatt
in Meiningen: In einem Hauſe hieſiger Stadt
ging ſeit Jahren eine Arme aus und ein, er-
hielt auch jeden Sonnabend ithr beſtimmtes
Almoſen. Nun hat kürzlich dieſe Familie eine
andere Wohnung bezogen — am nächſten
Sonnäbend erſchernt auch hier die Bettlerin,
ihr Almoſen zu holen. Doch — kann man's
glauben — als ſie die gewöhnliche Gabe er-
hält, erwidert ſie dreiſt: „Nein, das geht nicht,
dafür komme ich in Zukunft nicht mehr. Sie
wohnen ja jetzt eine Treppe höher — das iſt
doch zu wenig!“ — Man ſieht, man muß auch
da jetzt ſchon den Weg bezahlen.

Redaction, Druck und Verlag von Adolph Emmerling.
 
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