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Heidelberger Familienblätter — 1862

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Nr. 77 - Nr. 89 (2. Juli - 30. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43183#0315

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„So reden Sie doch!“ bat die Zuhörende mit ſteigender Angſt; „jede
Minute der weitern Qual verkürzt mein Leben!“
„Ein unglückſeliges Verhältniß“, ſprach jetzt Alfred, indem er den
Kopf ſenkte und die Brauen auf die Augen herabzog, „hat ſich zwiſchen
den Bund unſrer Herzen gedrängt. Eine feindliche, dämoniſche Gewalt
will uns trennen. — Nicht das gute Herz meines Vaters iſt es und
doch — er ſelbſt, gezogen von den Fäden eines grauſamen Geſchickes —
ein Geſchick, das auch mich zwiſchen Liebe und Pflicht unter Höllenqua-
len hinüber und herüber zerrt.“
„Pflicht gegen Liebe!“ fiel Cäeilie entſetzt ein. „O, ſchrecklicher
Kampf, wo Sieg und Niederlage gleichbedeutend ſind! — Was es aber
auch ſein mag, reden Sie!“
Alfred zuckte zuſammen, ſein Mund wollte ſich öſfnen, allein die
Zweifel, wie weit er in ſeinen Eröffnungen gehen dürfe, um die Ruhe
der Gellebten nicht mehr, als nöthig, zu beeinträchtigen, riſſen in ernen-
ter und noch furchtbarer Geſtalt an ſeiner Seele. Schweigend und nach-
ſinnend ſtand er Cäcilien gegenüber, die ihn mit flehenden Blicken an-
ſtarrte.
„Cäcilie,“ rief er da ploͤtzlic voll Innigkeit und tiefem Seelen-
ſchmerze, „liebſt Du mich?“
Er breitete ſeine Arme aus und die Jungfrau, von dem Momente
bewältigt, ſank ihm erſchüttert an die Bruſt.
„O, mehr, als mein Leben!“ war die Antwort, indem Thränen in
ihre Auge traten.
Einen Moment hielten ſich die Liebenden umfangen — es war das
erſtemal, daß Cäciliens ſtrenge Denkungsweiſe ſich dieſe Hingebung er-
laubt hatte — dann trat Alfred ernſt einen Schritt zurück und ſendete
der Jungfrau einen ſchmerzlichen Blick zu, indem er leiſe fragte:
„Und wenn Dein Vater der Preis dieſer Liebe ſein ſollte?“
Entſetzt fuhr Cäcilie zuſammen. —
„Woher dieſe Frage?“ entgegnete ſie bebend. „Läge ſolche Grau-
ſamkeit in dem Bereiche menſchlicher Denkkraft?“
„O ja,“ rief jetzt Alfred mit grimmigem Blicke und unter bitterem
Lachen aus, „man ſollte zweifeln an der menſchlichen Natur, die Bos-
heit mit der Dummheit ſich vermählen ließ, damit aus ſolchem Bunde-
ein ſcheußlich Ungeheuer entſproſſen follte. Indeſſen —“ fuhr er jetzt
mit tonloſer Stimme und krampfhaft nach Faſſung ringend, fort, „habe
Muth, das Gold der wahren Liebe läutert ſich im Feuer der Trübſal,
auch unſere Liebe wird ſiegreich aus diefem Kampfe hervortreten!“
„Zu allen Schritten,“ antwortete Cäcilie mit begeiſtertem Blicke,
die in Aufopferung Menſchliches erzielen, bin ich bereit. Ich habe Dir
mein Herz geweiht und dieſe Weihe hat nur Dein Glück zum Ziele.“
Für dieſes ſetze ich mein ganzes Glück, mich ſelbſt, mein Leben ein!“
„Dann,“ rief Alfred, indem er ſie nochmals ſtürmiſch in ſeine Arme
preßte, „gehe ich getroſt dem ſchwerſten Kampfe entgegen.“
„Was Du nun auch ſehen und hören magſt,“ ſetzte er mit flammen-
den Blicken hinzu, „ſo bleibe feſt bei Deinem Vorſatze und wanke ni e—
mals in der Ueberzeugung, daß das Herz Deines Alfreds Dir unwan-
delbar, Dir ewig angehört!“ —
Auf dem äußeren Gange näher kommende Tritte verkündeten das
 
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