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Heidelberger Familienblätter — 1862

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Nr. 90 - Nr. 103 (1. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43183#0412

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— 408 —

duldig nach der Thüre und dann wieder lächelnd auf ſein heiteres, blühen-
des Kind. Gräfin Irene hat raſch den Tafelanzug beendet, himmelblaue
Seide und Spitzen kleiden ſie reizend — die betreßten Diener reißen die
Flügelthüren auf, Baron Mönchsdorf tritt ein.
Vergebung, Papa! Irene! ruft er fröhlich.
Die Suppe erſt, nachher Ihre Erklärung, ſagt der Geſandte.
Ich bringe gute Nachrichten, der Miniſter wünſcht mich in ſeiner
Nähe zu behalten, berichtete Hermann.
Dann bleiben wir auch wieder hier, Irene, ich nehme meine Ent-
laſſung, dem Himmel ſei Dank, daß er mich aus meiner idylliſchen Ver-
bannüng erlöſt, in welche mich eine gewiſſe, ſchöne Dame brachte, ver-
ſetzte Graf Falkenhorſt.
Dieſelbe leidet zuweilen an ſeltſamen Einfällen, ſie wollte auch
Nonne werden, bemerkte Mönchsdorf lächelnd.
Wenn Liebe im Spiele iſt, dann werden die geſcheiteſten Damen ein
wenig toll, ſagte der alte Herr, indeſſen bin ich ſehr froh über die Wen-
dung, welche die Sache nahm. In Ihnen, lieber Hermann, lebe ich wie-
der auf, nehme durch Sie Antheil an den Geſchäften, und unter uns,
wie ſehr wir auch geneigt ſind, in einem Anfall von Ueberdruß die große
Welt zu ſchmähen, wer an dieſelbe gewöhnt iſt, ſehnt ſich aus der Zu-
rückgezogenheit nur wieder darein zurück.
Nun noch eine Neuigkert, Irene, und zugleich der Grund, warum
ich mich verſpätete, nahm der Baron wieder das Wort.
In frohen Gedanken aus der Thüre des Miniſters tretend, achtete
ich des Weges nicht, als raſch ein Wagen anfuhr. Ich ſprang auf die
Seite, erkannte jedoch die Equipage von Waldaus geſtrenger Tante.
Einige Häuſer oberhalb, bei dem Modemagazin, hielt der Wagen. Zwei
Damen ſtiegen aus, darunter die prächtig geputzte, ſtrahlende Albertine,
dieſen⸗folgte gravitätiſch der alte Mann. Rudolf Waldau, der mich er-
blickte, ſtürzte auf mich zu, warf mir ſcherzend Ihre Entführung von In-
terlaͤken vor, wie er es nannte, und erzählte mir ſeine Verlobung mit
Madame Fehr.
Die Familie iſt damit zufrieden, ſagt er, weil er Albertine reich ge-
ung iſt, alle Einwendungen zum Schweigen zu bringen und mich das
Roulette in letzterer Zeit mißhandelte. Meine Tante protegirt meine
Braut, ſie wird dieſelbe in Geſellſchaft einführen und hilft ihr eben fetzt
den Hofmantel auswählen.
Waldau war im Zuge; ich riß mich mühſam los, ſchloß Mönchsdorf
ſeinen Bericht.
Dieſe Zwei ſind einander werth, bemerkte der Geſandte, ſie werden
ſich täglich mehrere male zanken und, ebenſo oft wieder verſöhnen, bis
zuletzt jedes ſeinen eigenen Weg geht⸗=
Was wird unter ſolcher Leitung aus dem armen Arnulf werden,
verſetzte die Gräfin.
Wenn die Natur dem unzeitigen Knaben nicht ein frühes Ziel ſetzt,
wächſt er wohl zu einer der verſchrobenen Oeſtalten, wie unſere Welt
deren viele zählt, heran, entgegnete Mönchsdorf.
Es gäbe weniger folche, und auch keine gieſhgultigen oder unglück-
lichen Ehen, wenn alle ihre Lehrjahre verbrächten, wie wir, ſagte Irene.
Zeit iſt der waͤhre Prüfſtein des Werthes.

Redaction, Druck und Verlag von Adolph Emmerling.
 
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