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Heidelberger Familienblätter — 1862

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Nr. 116 - Nr. 129 (1. Oktober - 31. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43183#0486

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— 482 —

Laſſen Sie ihn gehen! Ihres Vaters Sache ſteht ſchlecht genug. Es
wird ihm nichts helfen, wenn Sie ſeinem Beiſpiele folgen, der Brunnen
hat ſchon genug Blut zu verantworten.
Seine Worte durchdrangen Cyrill mit Eiſeskälte.
— Alter Mann, hüten Sie ſich! Die Beleidigung wider meinen
Vater ſchreit nach Rache, und ich bin ein Verzweifelter.
ö — Auch ich bin das! rief der Alte. Sehen Sie mich an. Seit drei-
ßig Jahren habe ich auf dieſen Tag geharrt. Gott hat mir zuletzt den
Mörder meines Kindes offenbart.
— Wer ermordete Ihr Kind?
— Blount Aymar!
— Das iſt eine Lüge! ſchrie Cyrill.
— Es iſt wahr — ſo wahr ein Gott im Himmel lebt. ö
Reizen Sie mich nicht mehr, ich warne Sie! rief Cyrill. Und
in demſelben Augenblick hob er Juda Murdock in die Luft, als wenn
derſelbe ein Kind wäre, und hielt ihn über die Ciſterne.
— Sprich Dein letztes Gebet, ſagte er, denn Deine Stunde iſt ge-
kommen.
— Gnade! Gnade! rief Juda.
— Halt! ſchrie Ford mit ſolchem Rachvruck daß yin ſich um-
wandte.
Ee— Für Ihren Vater gibt es noch einen Ausweg, ſagte er. Wer
kann wiſſen, ob er verurtheilt wird. Aber wenn Sie ſelbſt einen Mord
begehen, ſo wird ſeine Freiſprechung von keinem Werth für ihn ſein.
Denken Sie an ihn, und gebieten Sie Ihrer Raſerei Einhalt!
Dieſe Worte ſchienen Cyrill's Wahnſinn zu beruhigen. Er ſetzte
Juda Murdock zur Erde, aber hielt ihn noch feſt.
— Sehen Sie mich an, rief Ford. Vor dreißig Jahren hatte ich
einen glücklichen Heerd. Eine liebliche Tochter zierte ihn. Sie wurde
ermordet — niederträchtig, ſchmählich ermordet. Dreißig Jahre vergingen
und da finde ich ihre Gebeine. Wer will mich tadeln, wenn ich nach
Rache gegen den Mörder rufe. ö
— Mein Vater iſt unſchuldig.
— Wenn er es iſt, ſo wird er freigeſprochen werden. Vergrößern
Sie Ihr Unglück nicht. Laſſen Sie den Mann gehen.
— So geh denn, ſagte Cyrill verächtlich. Geh — aber merke Dir
dieſes — wenn meinem Vater ein Leid widerfährt — wenn er verur-
theilt wird — ſo biſt Du von dieſem Augenblick an ein verlorner Menſch,
habe ich werde Dich durch die ganze Welt jagen, bis ich Dich vernichtet
abe.
Aus Cyrill's furchtbarem Griffe entlaſſen, ſchoß Juda Murdock wie
ein Pfeil in's Gebüſ ſch und entfloh.

13. Kapitel.

Weährend Cyrill in heißer Ungeduld der Stunde harrte, wo er ſeinen
Vater ſehen konnte, erfuhr er Einiges über die nähern Umſtände ſeiner
Arretirung.
Anfangs wollte Niemand es glauben; als es aber endlich ruchbar
 
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