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Heidelberger Familienblätter — 1863

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Nr. 1 - Nr. 12 (4. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43184#0046

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— 46 —

Bruno von R. „erhob den Kopf; er warf einen Blick auf ſeinen
Vater und ſtürzte im nächſten Mömente zu den Füßen deſſelben nieder.
„Verzeihung, mein Vater,“ ächzte er, indem er die Knie des Generals
zu umklammern ſuchte.
Es lag ein ſo herzzerreißender Ausdruck in ſeinem Tone, daß mir's
weich um's Herz wurde.
Der General ſtand hoch aufgerichtet in der Mitte des Gemaches.
Weder durch einen Blick, noch durch ein Wött verrieth er, was in ihm
vorging. Er ſchaute fiuſter auf den Knieenden nieder.
„Verzeihung, Vater!“ jammerte der. unglückliche Jüngling wieder.
Der General ſtieß ihn unſanft zurück.
„Ehrloſer Bube,“ rief er plötzlich, als wenn er ſich fetzt erſt deſſen
erinnerte, was ſein Sohn verbrochen hatte, „Du haſt die Ehre Deiner
Familie mit Füßen getreten und gebrandmarkt für alle Zeiten. Zwiſchen
uns iſt jedes Band zerriſſen. Du haſt keinen Vater und ich habe keinen
Sohn mehr.“ ö ö
„Haben Sie Erbarmen, mein Vater. Ich beſchwöre Sie bei dem
Andenken an meine Mutter,“ ſchrie der Jüngling, von Verzweiflung erfaßt.
toire Antlitz des Generals erſchien in dieſem Moment wenitzer ſtarr
und kalt
„Deine Mutter, Knabe, war ein kreuzbraves, herrliches Weib,⸗ ſagte
er, weniger rauh und zornig, „Gott hab' ſie ſeelig, aber an Dir hat ſie
nicht ſo gehaͤndelt, wie es wohl nöthig geweſen wäre. Wir würden Beide
beſſer daran ſein, wenn ſie gethan hatte, wie ich es wollte. Du biſt ein
elender Bube geworden, haſt ſchimpflich das Weite geſucht, als es galt,
das Leben wackerer Kameraden zu retten.“
„Vater, um des Himmels willen, halten Sie ein,“ ſchrie der Jüngling
und verſuchte die Hand des Generals zu erfaſſen, welche dieſer ihm ab-
wehrend entgegen geſtreckt hatte.
„Weißt Du, Knabe, weßhalb ich nach Magdeburg gekommen bin ?“
ſagte der General, indem er ſich zu ſeinem Sohne niederbeugte, „um Rechen-
ſchaft, blutige Rechenſchaft von Dir zu fordern.“ ö
Dieſe Worte wurden zwar nur leiſe geſprochen, da aber eine Todes-
ſtille in dem Gemache herrſchte, wurden ſie uns Allen verſtändlich. ö
Der Jüngling ſchrie laut auf. Krampfhaft verzerrten ſich ſeine Züge
und mit einer fieberhaften Angſt richtete er das unſtätt Auge auf das
Antlitz des Generals. ö
„Gnade, mein Vater,“ ſtöhnte er
„Du verlaͤngſt Gnade von mir? erro bn h einen An-
ſpruch darauf?“ rief der General haſtig.
Der Unglückliche neigte, ſtatt zu antworten, das Haupt zur erde.
Er kannte ja den ſtarren, unbeugſamen Charakter ſeines Vaters zu gut,
um nicht zu wiſſen, daß ihm keine Verzeihung zu Thril werden würde.
„Steh' auf,“ herrſchte der General ſeinem Sohne zu, indem er den
Arm deſſelben ergriff und ihn gewaltſam empor zu reißen verſuchte. „Als
Dein Vater hab' ich nichts mit Dir zu ſchaffen, aber als preußiſcher Officier,
der den Namen trägt, welchen Du durch eholoſe Feigheit geſchandet haſt,
begehre ich Rechenſchaft von Dir. “
Vergeblich verſuchte der Jüngling ſi ſich zu ermannen. Es ſchien, als
 
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