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Heidelberger Familienblätter — 1863

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Nr. 25 - Nr. 37 (1. März - 29. März)
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Heidelberger gamilienblätter.

Nr. 29. ö Mittwoch, den 11. Marz ͤ 1868.

Eine Brautfahrt.
Von Jaques Ernſt. ö

(Fortſetzung.)

„Ja ja“, rief Marie — „er hat —“ —
„Sei doch Du ſtill, Du Schnepf“, unterbrach ſie der Vater gutge-
launt, indem er, ſeine Pfeife anzündend, ſich gegen Marie zurückwendete
— „wißt Ihr was, Schreiner, der Kanarienvogel — ſo nennen wir die
Marie Keller, weil ſie ſingt grad wie ein Vogel — der Kanarienvogel
alſo iſt meiner Schweſter Tochter und war nur über den Heuet bei uns
— jetzt iſt er wieder daheim bei den Eltern; — ich will Euch ein paar
Worte an den Vater mitgeben, das khnn Euch nur nützen, und will das
Ding derart aufſetzen, daß es nicht viele Umſtände geben wirdz3. mein
Schwager weiß, daß ich, als ehemaliger Viehhändler, Menſchenkenntniß
beſitze — er hat noch jedesmal gethan, was ich ihm angerathen habe,
und er iſt nie ſchlecht dabei gefahren, das weiß er. Und dann iſt der
Birlinger Müller, welcher ja ganz beſonders für Euch eingenommen iſt
— weil Ihr ihm, wie er behauptet, einen wichtigen Dienſt geleiſtet habt
— der iſt wieder des Keller's Schwaͤger, denn er hat meines Schwagers
Schweſter zur Frau. Ihr ſeht, Ihr ſeid grad mitten in der nächſten
Verwandtſchaft drinnen; nehmt den Müller mit, wenn Ihr heute noch
hinüber wollt — ſié wohnen kaum ein Viertelſtündchen weit von einander
— dann iſt die Sache im Blei, ich garantir's Euch.“ ö
Jetzt wohlete es dem Schreiner aber wunderbar, und tief gerührt
drückte er dem Ochſenbauer die Hand. Aber vom Fortgehen wollte jetzt
Niemand etwas hören; Fröhlich mußte, da es elf Uhr, alſo Mittagszeit
geworden war, zum Eſſen dableiben — da halfen keine Complimente,
keine Ausflüchte — Frau Huber und Marie, froh ihres eigenen Glückes,
betrachteten ihn ſchon als ihren Verwandten und nannten ihn Vetter, und
der Vater folgte in munterem Humor ihrem Beiſpiele.
ö Nach einer höchſt vergnügten Mahlzeit machte ſich der Schreiner, das
Empfehlungsſchreiben in der Taſche und von den beſten Segenswünſchen
geleitet, in freudigſter Feſtſtimmung auf den Weg, um nun endlich auch
ſeine Angelegenheiten zu ordnen, nachdem er diejenigen anderer Leute ge-
ordnet hatte. — — — ö 2*
In der Nähe von Birlingen ſchwenkte Fröhlich rechts ab und ſchlug
den Feldweg ein, denn er mochte nicht riskiren, Jemanden von des Hag-
bauers zu begegnen, denen er nächſter Tage durch den Riethans ſagen
laſſen wollte: er habe ſich eines Beſſeren beſonnen und abſtrahire von der
Jungfer Tochter. Er nahm alſo den Weg um's Dorf herum und gelangte
 
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