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Heidelberger Familienblätter — 1863

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Nr. 142 - Nr. 153 u. Beilage (2. December - 30. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43184#0565

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geidelberger gamilienblätter.

Nr. 142. Mittwoch, den 2. Dezember 186³

Die bleiche Gräfin.

Roman aus der Geſellſchaft von Hans Wach enhuſen.

(Fortſetzung.)
„Höllenhund, der Du biſt,“ ſchrie Hanneton, „erkennſt Du den Vater
Ninons, des armen Kindes, deſſen Leben Du vergiftet, gemordet haſt?“
Der Chevalier war nicht im Stande zu antworten, da Hanneton
ihm ſeine beiden Daumen dermaßen an die Kehle geſetzt, daß er jeden
Augenblick erſticken konnte. Hanneton, dunkelroth im Geſicht, weidete ſich
an den mit Blut unterlaufenden Augen ſeines Opfers, das vergebliche
Anſtrengungen machte, ſich ſeinen Fäuſten zu entwinden. Hannetons Hoff-
nung hatte ihn nicht getäuſcht; es war ein großer, ſehr großer Tag!
Jahrelang hatte er nach dieſem Schurken geſucht und jetzt endlich hatte
ihn der Zufall in ſeine Hände geſpieit; er dachte an ſeine Ninon, er ſah;
ſie elend in Lumpen, vom Wahnſinn befallen, wie er ſie damals vorge-
funden; dann ſah er ſie daheim in ſeiner kleinen Wohnung, ſo bleich, ſo
ſtill, ſo allen Freuden des Lebens entſagend, das ihr doch einſt ſo viel
verſprochen ... und feſter drückte Hanneton den Daumen in die Gurgel
ſeines Opfers, daß das Blut die Adern des Geſichtes zu ſprengen drohte,
und mit immer gierigerer Wolluſt betrachtete er ſich dieſes Antlitz.
Plötzkich fühlte er einen heftigen Druck auf der Schulter. Er achtete
nicht darauf. 2
„Mörder meines Kindes, erkennſt Du den Vater der armen Ninon,
damit Du weißt, wer Dir Dein elendes Schurkenleben ausbläſt?“ wie-
derholte er und beugte ſich tiefer über ſein Opfer.
„Im Namen des Geſetzes, zurück!“ rief eine Stimme über ihm,
und abermals legte ſich eine feſte Hand auf ſeine Schulter.
Hanneton erſchrack; der Gedanke, daß man ihm ſein Opfer entreißen
könnte, ward ihm fürchterlich; feſter packte er zu, daß ſich der Unglück-
liche in krainpfhaften Zuckungen unter ihm wand und zu verenden ſchien.
Auf einen Wink des Commiſſärs ſprangen zwei ſoeben in dem Salon
erſcheinende Sergeanten herbei und ſtürzten ſich auf Hanneton, um ihn
von dem Unglücklichen hinwegzureißen. ö
Die guten Leute hatten aber falſche Begriffe von Hannetons Kräften;
ſeine Fäuſte hielten ihre Beute wie ein eiſerner Schraubſtock und erſt als
der Unglückliche plötzlich jedes Lebenszeichen einſtellte, zog er freiwillig die
Hände zurück.
„Todt iſt ſie, die Canaille!“ rief er, dem Chevalier ins Geſicht
ſpeiend, während die Sergeanten an ihm umher zerrten. Dann erhob er
ſich freiwillig und blickte verwundert umher. „Ich habe dem Henker ein
Stück Arbeit erſpart, wie Ihr ſeht!“ rief er triumphirend. „Macht jetzt
mit ihm, was Ihr wollt. — ö —
 
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