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Heidelberger Familienblätter — 1863

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Nr. 13 - Nr. 24 (1. Februar - 27. Februar)
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Heidelberger Familienblätter.

Nr. 17. Mittwoch, den 11. Februar 1863.

Eine dunkle That.
Erzählung nach einer wahren Begebenheit von S o phie Verena.

ö ö (Fortſetzung.) ö
Nacht iſt es. Das ganze Dorf ruht in tiefem Schweigen und Dunkel;
nur aus einem Fenſter des Pfarrhauſes ſchimmert ein trübes Licht, bei
deſſen Schein der Bewohner deſſelben mit ſtierem Blick auf vor ihm liegende
Papiere ſchaut. — Die Briefe müſſen eine Trauerkunde gebracht haben,
denn eine furchtbare Seelenqual ſpricht deutlich aus jedem Zuge dieſes
verſtörten Geſichtes. O, tiefer als eine Todesbotſchaft hat die Kunde das
Herz des unglücklichen Vaters getroffen, daß ſein Sohn, ſein einziger
Sohn, den er in einem großen Bankiergeſchäfte untergebracht, ſich eines
Verbrechens theilhaftig gemacht, ſich in den Beſitz fremder Gelder geſetzt
hat, und wenn dieſe in den nächſten Tagen nicht erſtattet werden, er für
immer ehrlos daſteht. Dieſe Nachricht iſt mit einem Schlage ſo tief in
die Seele des Vaters gedrungen, iſt ſo eins mit ihm geworden, daß es
ihm vorkommt, als habe er ſchon lange, lange unter dem unſeligen Banne
gelebt — und dann wieder ſchüttelt er das Haupt; es kann, es kann ja
nicht ſein, es iſt unmöglich! Sein Sohn, ſein Stolz, die künftige Stütze
der Familie — ehrlos; ſein Name, an dem bis jetzt kein Makel gehaftet,
gebrandmarkt — der Sohn ſteckbrieflich verfolgt — dem Zuchthauſe über-
wieſen! Ein dumpfer Schrei entwindet ſich der Bruſt des Vaters, —
ein Todesſchrei; die dicken Perlen des Angſtſchweißes rollen von ſeiner
Stirn, ächzend ringt er die Hände.
Gibt es keine Hülfe — keine Rettung? Fällt kein Lichtſtrahl in die
umnachtete Seele des armen Mannes? — Ja, ein Blitz theilt die Nacht,
aber es iſt kein Gnadenſtrahl — es iſt ein verblendendes Irrlicht, welches
ihn in einen Abgrund hineinreißen will. Ein Gedanke keimt empor —
dunkel — unſelig — mit düſterem Fittiche ſchwebt er um ihn. Halt!
um Gotteswillen halt! daß dieſer Gedanke nicht mehr und mehr Form
und Geſtalt gewinne, nicht erſt Beſitz nehme von ſeiner Seele — nicht
zur That werde! ö ö
Der bleiche Mann ſtreckt die Hand aus nach jenem zweiten Briefe,
den er anfangs kaum beachtet, und von ſeinem eigenen Schmerze verwirrt,
deſſen Inhalt ſogar nicht klar gefaßt hat. Jetzt überfliegen die unſtäten
Augen noch einmal das Papier. Der Brief iſt aus Amerika, von Anton
Meyer, dem Manne der ſterbenden Martha. Er ſchrieb, daß er ſich eine
einträgliche, ehrenvolle Stellung in einem großen Fabrikgeſchäfte erworben,
und ſchon einmal das Reiſegeld für Frau und Kind geſchickt habe, da ihm
aber ferner keine Kundé geworden von den Theuren, müſſe er annehmen,
daß jener Geldbrief verloren oder in unbefugte Hände gerathen ſei. Um
 
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