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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0022

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18

Einleitung

Tronie, aber die Funktionen eines Porträts erfüllt,
müsste als verkleidetes Bildnis, nicht aber als Tronie
bestimmt werden.
Außer von Blankert werden Tronien Anfang der
achtziger Jahre auch von anderen Autoren als Werk-
kategorie innerhalb der CEuvres von Schülern und
Nachfolgern Rembrandts behandelt. So spricht z.B.
Werner Sumowski bereits im ersten Band seines Ver-
zeichnisses der Gemälde der Rembrandt-Schüler von
Tronien und definiert diese als »gemalte Kopf- und
Halbfigurenstudien mit inhaltlicher Bedeutung.«25
Christopher Brown identifiziert Tronien in seiner
Monographie über Carei Fabritius als wichtigste
Gruppe unter jenen Bildern, die dem Rembrandt-
Schüler aufgrund stilistischer Kriterien zugeschrie-
ben werden können.26 Auf die mögliche Funktion
der Werke im Schaffen Fabritius’ geht Brown aller-
dings nicht näher ein.
Wie schon bei den zuvor genannten Autoren bleibt
die Definition von Tronien auch im Rembrandt-Cor-
pus des Rembrandt Research Project27 (RRP) äußerst
kurz gefasst: Josua Bruyn zufolge handelt es sich um
»heads or busts of interestmg types - >tetes de carac-
tere<.«28 Die Wahl des Begriffs >tronie< als Bezeich-
nung für diese Köpfe begründet der Autor mit dem
Verweis auf ein von Jan Lievens radiertes Titelblatt

25 Sumowski 1983-1994, Bd. 1, S. 23, Anm. 68. Vgl. auch ebd.,
S. 16f., 134, 135, 282, 284f.
26 Brown 1981, S. 49f. Für die Behandlung von Tronien des
Rembrandt-Schülers Isaac de Jouderville vgl. Wetering 1983,
S. 62—66.
27 Im Folgenden als RRP bezeichnet. Bisher sind vier Bände
erschienen: RRP 1982-2005, 4 Bde. Kritisch zu Ansatz und
Methode des RRP vgl. u.a. ScHATBORN 1986; Talley 1989,
bes. S. 190-211; Grimm 1992; Blankert 1997/98a, S. 53f.;
Grasman 1999; Westermann 2002, S. 351-353. Zu Geschichte
und Zielen des RRP vgl. jüngst Wetering 2005a.
28 Bruyn 1982, S. 40. Vgl. auch Kat. Amsterdam 1996, S. 51f.
Bereits Valentiner o.J. [ca. 1906], vertritt eine ähnliche
Auffassung, wenn er von Rembrandts »Charakterköpfen«
(S. 37) spricht, bei denen es dem Künstler in erster Linie
um »die Wiedergabe eines bestimmten Ausdruckes und die
Lösung eines formalen Problemes« gegangen sei und nicht
um »die Frage nach Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit« (S. 42).
Im Gegensatz zu den Autoren des RRP wertet Valentiner
Rembrandts »Charakterköpfe« allerdings als »Ausdruck
persönlichen Empfindens« (S. 43) und seine Selbstbildnisse
als »Notizen aus einer Selbstbiographie« (S. 44).
29 Bruyn 1982, S. 40, Anm. 8.
30 Bruyn 1989, S. 22-26. Kritisch zu der im Corpus auch von
Wetering 1986c, vertretenen These, Rembrandt habe bereits
in den dreißiger Jahren eine Werkstatt mit einer großen Zahl

einer Tronie-Serie, das die Aufschrift »Diverse Tro-
nikens geets van J. L.« trägt [Kat. 328, Taf. 70].29 Im
dritten Band des Corpus behandelt Bruyn Tronien
im Zusammenhang mit der Untersuchung der Ge-
mäldeproduktion in Rembrandts Werkstatt:30 Bruyn
zufolge fertigten Rembrandts Lehrlinge und Gesel-
len nach den Tronien des Meisters Kopien und Vari-
anten an, die sowohl als Übungsstücke als auch zum
Verkauf dienten.31 Im jüngst erschienenen, vierten
Band des Corpus bezieht sich Ernst van de Wetering
auf die von Blankert und Bruyn eingeführte Verwen-
dung des Terminus >tronie<, ohne eine präzisere De-
finition vorzulegen.32
Neben gemalten und radierten Köpfen und Büs-
ten von meist anonymen Modellen in Phantasietracht
wird im Corpus auch eine Reihe der traditionell als
Selbstbildnisse Rembrandts verstandenen Werke als
Tronien betrachtet.33 Dieselbe Auffassung vertre-
ten die Autoren des Katalogs der jüngsten, Rem-
brandts Selbstbildnissen gewidmeten Ausstellung,
die 1999/2000 in London und Den Haag stattfand.34
Als Tronien werden hier ausschließlich Rembrandts
Selbstdarstellungen aus den 1620er und frühen 30er
Jahren klassifiziert. Aus welchen Gründen die in spä-
teren Jahren in Amsterdam geschaffenen Selbstdar-
stellungen in Phantasietracht nicht als Tronien zu be-

von Schülern und Assistenten geleitet, vgl. Liedtke 1989; ders.
1997; ders. 2004.
31 Vgl. auch Wetering 2005b, S. 172f. Bereits Sci-iatborn 1986,
S. 61, nimmt in seiner Rezension des ersten Corpusbandes
an, dass Rembrandt bestimmte Tronien als Vorbilder für
seine Lehrlinge konzipierte, anhand derer die Schüler
sowohl unterschiedliche Figurentypen als auch verschiedene
Möglichkeiten des Farbauftrags studieren konnten. Zur
Tronieproduktion in Rembrandts Werkstatt vgl. auch Broos
1981/82, S. 41; Bruyn 1991/92, S. 79f.; Huys Janssen 1992, S.
25-27.
32 Wetering 2005b, S. 172.
33 Bruyn / Wetering 1982, S. 8; Bruyn 1989, S. 25; Wetering
2005b, S. 172-178, 189f. Wetering 2005b, S. 158-166,
bezeichnet Selbstdarstellungen, die Rembrandt schuf,
um malerische Techniken, Beleuchtungseffekte und
unterschiedliche Möglichkeiten mimischen Ausdrucks zu
studieren, als »studies« und vermeidet hierfür die Verwendung
des Wortes Tronie. Angesichts des fließenden Übergangs
zwischen reinen »Studienköpfen« und verkäuflichen Tronien
ist dies jedoch eine problematische Unterscheidung, vgl. unten,
Kap. II.1.4, 1.5.
34 Wetering 1999/2000, bes. S. 21f., 36; Winkel 1999/2000, S.
60-62; Kat. London / Den Haag 1999/2000, Kat. Nr. 5, S.
95, Kat. Nr. 8, S. 100, Kat. Nr. 10, S. 106, Kat. Nr. 14a/b, S.
117, Kat. Nr. 18, S. 122, Kat. Nr. 40, S. 154.
 
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