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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0237

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4

Zur Stellung der Tronie innerhalb der Gattungen der Figurenmalerei

4.1 Arbeits- und Spezialgebiete
von Troniemalern
In der Zeit, m der in den Nördlichen Niederlanden
Tronien produziert wurden, war die Spezialisierung
von Künstlern auf die unterschiedlichen Gebiete der
Malerei, die heute als die fünf Gemäldegattungen
Historie, Porträt, Genre, Landschaft und Stillleben
gefasst werden, bereits deutlich ausgeprägt.1 Somit
fragt sich, welche Stellung Tronien innerhalb der sich
formierenden Bildgattungen einnahmen. Dass der
Bildtyp als eigene >Gattung< definiert werden kann,
wie Franziska Gottwald im Titel ihrer unveröffent-
lichten Dissertation nahe legt,2 ist eher abwegig. Dies
würde nicht nur einen zu hohen Anspruch an einen
per definitionem in der Varianz seiner Eigenschaften
verglichen mit den fünf bekannten Bildgattungen äu-
ßerst eingeschränkten Typus des Figurenbildes stel-
len. Auch konnte bereits gezeigt werden, dass sich
zwischen Tronien und einfigurigen Historien- bzw.
Genrebildern in reduziertem Bildausschnitt vielfäl-
tige Überschneidungen ergeben, was ebenfalls gegen
den Status von Tronien als einer selbständigen Bild-
gattung spricht.3 Wie zu zeigen sein wird, handelt es
sich vielmehr um eine Bildaufgabe, die als Teil der
bekannten Gattungen der Figurenmalerei betrachtet
werden sollte.
Um zu bestimmen, in welchem Verhältnis Tronien
insbesondere zu den Gattungen der Figurenmalerei
standen, wird zunächst untersucht, welche Fachge-
biete zum Repertoire von Troniemalern gehörten.

Auf diese Weise soll ermittelt werden, ob bestimmte
Spezialisierungen mit der Produktion von Tronien
einhergingen. Außerdem ist zu prüfen, ob es Maler
gab, die sich ausschließlich mit der Herstellung von
Tronien beschäftigten. Dies wiederum würde für
eine Bewertung des Bildtyps als selbständiges Fach-
gebiet bzw. eigene Bildgattung sprechen. Allerdings
müssten Tronien in diesem Fall spezifische Merk-
male aufweisen und Funktionen erfüllen, die nicht
nur als charakteristisch für die Werke gelten können,
sondern aufgrund derer sie sich auch eindeutig von
den Gattungen Historie und Genre unterscheiden.4
Um zu analysieren, mit welchen Bildgattungen
sich Troniemaler vorrangig beschäftigten, wird zu-
nächst die Gemäldeproduktion derjenigen Meister
in den Blick genommen, die sowohl aufgrund des
Umfangs als auch der Qualität ihrer Tronieproduk-
tion als die bedeutendsten Repräsentanten der hol-
ländischen Troniemalerei zu bewerten sind. Hierzu
zählen neben Hals, Lievens und Rembrandt, also den
Begründern des Bildtyps, eine Reihe von Rembrandt-
Schülern, insbesondere Gerard Dou, Govaert Flinck,
Ferdinand Boi, Samuel van Hoogstraten, Willem
Drost und Aert de Gelder. Ebenfalls zu nennen sind
die von Rembrandt mit Blick auf ihre Tronieproduk-
tion anfänglich oder insgesamt beeinflussten Maler
Jacob Backer, Salomon Köninck und Pieter Vereist,
außerdem die in Haarlem tätigen Meister Salomon
de Bray, Pieter de Grebber und Adriaen van Osta-
de sowie der Leidener Feinmaler Frans van Mieris
d.Ä. Schließlich müssen auch Abraham Bloemaert

1 Vgl. Haak 1984, bes. S. 85—161.
2 Der veröffentlichte Titel der Dissertation Gottwalds lautet:
»Das Tronie. Die Genese einer Gattung der Malerei«, vgl.
Kunstchronik, 52, 1999, S. 548. Sumowski 1983-1994, Bd. 1,
S. 16, 23, Anm. 68, glaubt, der Begriff >tronie< sei »in Holland
schon im siebzehntenJahrhundert als Gattungsbezeichnung
für gemalte Kopf- und Halbfigurenstudien mit inhaltlicher
Bedeutung (im Gegensatz zum Porträt) üblich« gewesen.

Auch Tümpel 1986, S. 299, spricht davon, dass Rembrandts
Tronien sich »als Bildgattung« verselbständigten. Wahr-
scheinlich verwenden die Autoren das Wort >Gattung< nicht
im Sinne des akademischen Gattungsbegriffes.
3 Vgl. oben, Kap. III.2.
4 Vgl. unten, Kap. III.4.2, S. 227f. Für Literatur zu Theorie,
Aufgabenstellung und Eigenart der Historien- und Genre-
malerei vgl. oben, Kap. III.2, S. 177, Anm. 1.
 
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