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1)4

Illustrirte Welt.

lagen, lediglich um meinem dicken Kutscher, dessen Gesicht mir-
gar nicht gefiel, zu zeigen, daß mir im Nothfall auch nach
lebendigen Menschen schießen könnten, — so fuhren mir durch
einen Thcil der Ardennen, quer durch die Argogne, kommen
nach Clairmont, nach Bar le Duc und Ligny. Von den ver-
schiedenen lustigen und traurigen Abenteuern, die uns unter-
mcgs begegneten, von den Fährlichkeiten einer Reise mitten
durch Feindesland mit einer solchen Geldfracht null ich weiter
nicht reden.
Genug, mir langten eines schönen Morgens ans der letzten
Etappe vor der Festung Toul, in einem kleinen Städtchen,
das Noid hieß, an, und ich mar begierig, dort zu erfahren,
auf welche Weise mir die Festung Toul, die damals noch be-
lagert mar, passiren würden. Als mir vor Wochen mit der
Armee vorbeigingcn, mar oberhalb der Festung eine Brücke
über die Mosel geschlagen, die zu einem entsetzlichen Wald-
defils führte, das so steil und schlecht mar, daß wir es mit
unserem schweren Karren nur so weniger hätten passiren kön-
nen, da unser armes Pferd fast ganz kaput mar. Ich hatte
mich deßhalb auch entschlossen, nöthigenfalls einen weiteren
Umweg zu machen, nur nm auf der kaiserlichen Straße zu
bleiben, und mußte mich aber, bei der großen Verantwortlich-
keit, die mir mit dem vielen Gelde hatten, ganz genau hier-
auf der letzten Etappe nach der weitern Etappenstraße und
der Sicherheit des Weges erkundigen. Im Bureau mar ein
dicker, mürrischer Major, den ich wahrscheinlich in irgend
etwas gestört hatte, oder von irgend etwas abhielt, denn er
behandelte mich ziemlich unfreundlich.
„Ihre nächste Etappe ist Ecrouvcs, drei Kilometer von
Toul."
„Aber mein Gott, das liegt unmittelbar vor der Festung
und Toul ist noch nicht genommen, da komme ich ja in das
Feuer der Vorposten hinein."
„Das ist mir höchst gleichgültig, ob Sie in's Feuer hin-
eiufahreu oder nicht," meinte er sehr leutselig.
„Sollte das nicht ein Mißverständnis; sein?" erlaubte ich
mir eiuzuwcudcn. „Eine Etappe kann doch unmöglich so
nahe an einer belagerten Festung liegen; gibt es nicht viel-
leicht noch ein anderes Ecrouvcs?"
„Geben Sie mir Ihre Reymann'sche Karte," sagte der
brave Herr. „So, da sehen Sie, da ist Noid, da sind nur,
das da ist Ihre Straße, das da ist Ecrouvcs, das da ist
Toul. Der neue Etappcnweg, den Sie zu fahren haben,
führt nördlich um Toul herum."
„Herr Major, ich habe viel Geld zu trausportiren und
damit so nah an einer belagerten Festung herum zu fahren
ist mir bedenklich. Können Sie mir nicht einige Mann Be-
deckung mitgeben, oder aber gestatten, daß ich über Vaucouleurs
fahre?"
„Meinetwegen fahren Sie zum Teufel," brüllte der lie-
benswürdige Herr. „Wenn ich einige Kanonen hätte, würde
ich sie Ihnen mit Vergnügen zur Disposition stellen."
„Sie brauchen sich gar nicht so sehr zu ereifern, Herr
Major, ich höre ganz gut, im klebrigen wünsche ich Ihnen
,Guten Morgen'."-
Der Gute rief mir noch etwas nach, was wie Nrretiren-
lassen klang, das mich aber, der ich im Laufe des Krieges
schon manchmal ausgesprochenster persönlicher Unliebcnswür-
digkeit gegenüber gestanden, sehr wenig genirte. Ich suchte
meinen Reisegefährten, den braven Kondukteur Mitterer, auf
und hielt Kriegsrath mit ihm, ob Ecrouvcs, ob Vaucouleurs?
Tas Resultat war schnell gefunden:
„Wenn wir über Ecrouvcs iustradirt sind, so müssen
mir über Ecrouvcs fahren, und wenn's direkt in die Hölle
ginge."
Also vorwärts in Gottes Namen!
Die Gegend war hier recht hübsch, die Straße führte un-
mittelbar neben dem großen Straßburg-Pariser Kanal her,
auf dem eine Unmasse von Sclfifscn still lagen, welche, da
der Kanal, weil er vielfach zu Juundatiouszwccken angestochen
worden war, kein Wasser mehr hatte, nicht weiter konnten
und hier besseren Zeiten entgegen harrten. Von Toul, das
tief uuten im Thal lag, sahen mir noch nichts. Wir passirten
Foug, ein hübsches, lebhaftes Städtchen, das mir zu unserer
größten Verwunderung vollständig ohne Besatzung fanden.
Wie in allen Städten und Dörfern, in denen keine Truppen
anwesend, waren die Herren Franzosen auch hier recht muthig
und waghalsig — im Schimpfen. Wir waren ja nur zu
Zwei, und so flogen denn die Voleurs und Vougrcs sattsam
hinter uns her. Dergleichen waren wir schon zur Genüge
gewohnt, hier in Foug kam's aber ein wenig arg, und des-
halb waren wir sroh, als wir das Nest im Rücken hatten.
Da kam ein Ehausseestein, auf dem zu lesen stand: Toul 6
Uiloiaoti-68. Tas war nun ganz interessant, aber wir woll-
ten ja nicht nach Toul, sondern nach Ecrouvcs, und nach un-
serer Karte mußte der Ort noch vor Toul liegen, wir Hütten
ihn also doch längst sehen müssen und dennoch war nicht ein
Haus zu erblicken.
Es war uns Beiden nicht recht wohl bei der Sache. Wir
wußten ganz genau, daß wir von einer belagerten Festung
nicht sechs Kilometer mehr entfernt waren, cs brauchte daher
der höchsten Vorsicht, um nicht in die französischen Linien
hineinzufahren, wie dicß unlängst erst zwei deutschen Bericht-
erstattern in Bitsch und einem höheren Verpslegungsofsizier in
Verdun geschehen war.
Wir fuhren weiter und weiter, sahen den fünften, dann
den vierten Kilometerstein, aber noch immer kein Haus, wohl
aber jetzt sehr deutlich über das Laubwerk vorragcud den
viereckigen großen Thurm der berühmten Kathedrale von Toul
in höchst bedenklicher Nähe — aber noch immer kein Ecrouvcs,

uoch immer keine deutschen Truppen; die Geschichte wurde
entschieden unheimlich. Da endlich — machte die Straße eine
Wendung nach links und zugleich sahen mir Häuser uuter den
dichten Bäumen, und mit ihnen einen preußischen Feldgendarm,
der uns entgegensprengte. Nie im Leben hat ein Gendarm
auf mich einen so wohlthuenden Eindruck gemacht, wie dieser
Sohn der Mark, der uns bestätigte, daß da vorn Ecrouvcs
liege, und daselbst, und zwar am anderen Ende des Dorfes,
eine bayerische Etappe sei.
Eine bayerische Etappe! Herrn Mittercr's Gesicht verzog
sich vergnüglich grinsend in die Breite; — unter uns, er
liebte die Preußen nicht sonderlich und ihre Etappen noch
weniger. Es herrschte zwar auch auf den bayerischen Etappen
eine recht gesunde Grobheit, aber das war doch eine vater-
ländische, die uns immer noch näher lag, als die nicht minder
intensive preußische Grobheit. Unser Schimmel bekam also
sofort eine derbe Ermunterung, so daß wir bald stolz vor-
dem Etappcnkommando vorfuhren. Wir fanden dort einen
außergewöhnlich freundlichen Major, der augenblicklich unser
Geld und unsere Briefschaften in sein Bureau schassen ließ
und uns unsere Quartierbillets, sowie die nöthigen Anwei-
sungen für Metzger und Bäcker gab. Aus vielfacher Erfah-
rung wußte ich bereits, daß mein Reisegefährte stets ein
besseres Stück Fleisch zu Hause brachte als ich, ich überließ
ihm daher getrost das Herbeischaffen von Lebensmitteln und
suchte einstweilen die Mairie auf, um zu sehen, was der Herr-
Maire diese Nacht uns für ein Unterkommen gewähren werde.
Man ist im Kriege zwar sehr wenig anspruchsvoll in Bezug
auf Quartiere, dennoch ist die Quartierfrage eine höchst inter-
essante, zn deren eventueller glücklicher Lösung die eigene Per-
sönlichkeit ungemein viel beitrügt. Die Mairie von Ecrouvcs
hat keinen imponirenden Eingang, das muß man ihr lassen,
man kommt zum Sitze der obersten Gewalt dieses achtbaren
Ortes, indem man durch verschiedene schmutzige Höfe, an
einigen Schweine- und andern Vichställen vorübertappt. Dann
erscheint ein langes, ziemlich niedriges Gebäude, das seltsamer-
weise eine prachtvolle Renaissance zur Schau trägt, deren
reizende, üppige Figuren noch deutlich genug aus Schmutz
und Zerstörung hervortretcn. Die oberste Gewalt von Ecrouvcs
trat uus bereits iu der Thüre entgegen, sie trug die gewöhn-
liche, landesübliche blaue Blouse und unterschied sich von
andern Pisangs nur durch eine ungewöhnlich lange stattliche
Hakennase und zwei unangenehm große, runde Augen, die
mich sehr lebhaft an ein achtbares Mitglied unseres königlichen
Hof- und Nationallhcaters, die Eule in der Wolfsschlucht im
Freischütz, erinnerten. Der Maire war höflich, wie alle Maires
an Orten, wo deutsche Truppen lagen, er erbot sich sogar,
uus bei sich zu behalten. Nun sah das Quartier, soviel ich
wenigstens bis jetzt beurtheilen konnte, nicht gerade verlockend
reinlich aus, überdies; lag cs sehr weit vom Etappcnkommando,
am ganz entgegengesetzten Ende des Dorfes, was nicht sehr-
angenehm war, wenn, wie dicß doch jedenfalls in solcher
Nähe einer belagerten Festung wohl zu erwarten stand, wäh-
rend der Nacht allarmirt wurde. Ich zauderte daher etwas
mit der Annahme des freundlichen Anerbietens.
„Sie haben Furcht," bemerkte der Maire spöttisch, „ich
werde Ihnen ein Quartier in der Nähe Ihres Kommandos
anwcisen."
Mich ärgerte der kurze, trockene Ton des Mannes und
das spöttische Lächeln, das durch seine verwitterten Züge flog,
und ich sagte daher rasch entschlossen: „Sie irren sich, Herr
Maire, ich nehme Ihr Anerbieten für mich und meinen Reise-
gefährten dankbar an und bleibe bei Ihnen."
Das schien dem alten Uhu nun wieder zu gefallen, er
lud mich, um Vieles freundlicher geworden, ein, näher zu
treten und mich zu arrangireu, wie es mir gut dünke. Er
sei „Veuf" und ich müsse deßhalb vorlieb nehmen mit der
Küche, — was den Keller anbclange, so sei ich freilich nicht
die erste „Einquartierung", aber es wäre wohl immer noch
ein Tropfen da. Das klang nun freilich schon ganz anders.
Aber meine angenehme Uebcrraschuug wuchs, als ich eine
Reihe prächtiger Zimmer sah, und steigerte sich aus das
Höchste, als ich durch eine herrliche große Glasthüre auf eine
breite Terrasse hinaustrat und in ein Wunderland hineinblickte.
Es war wie ein Märchen.
Die Terrasse, umgeben von einem breiten massiven Stein-
geländer, in dessen Ornamentik eine wildgcwordene Renaissance
ihre üppigsten Blüten trieb, beherrschte ein ziemlich steil gegen
Toul zu abfallendes großes Terrain, das einst ein großartig
angelegter Hcrrschastsgartcn gewesen sein mußte, jetzt aber
eine Wildnis; war, wie sie eine Eichcndorfftsehe Poesie sich nicht
herrlicher und üppiger wünschen konnte. Gleich unter mir
die erste große Treppenstufe dieses seltsamen Gartens mußte
einst ein riesiges Bassin eingenommen haben. Noch sah man,
trotz des überall wuchernden Epheus, aus dem die Nereiden
und Tritonen, die einst hier lustig Wasser spiccn, gar ver-
wunderlich hcrausschauten, ganz deutlich die Linien, welche
früher das Bassin bezeichneten, das Wasserkünste beherbergt
haben mußte, die sich an Größe und Ausdehnung getrost denen
von Hcllebrunn bei Salzburg an die Seite stellen konnten.
Wo früher Boskette gewesen waren, da herrschte jetzt undurch-
dringliche Wildnis;, aus der uur hin und wieder ein Riesen-
baum durchbrach und stolz auf das Schmarotzcrzeug uuter sich
herabsah. Selbst in den Wegen kroch der Epheu und über
dieselben schwang sich der Wein in freudigen Guirlandcn, die
sich unter der Last schwerer Trauben senkten. Ich habe nie
wieder den Wein so wuchern sehen, wie hier. Marmorstatucn,
meist ziemlich schlüpfriger Ausführung, waren von den grünen
Rauken vielfach so umsponnen, das; oft uur ein Kopf oder
eine Hand heraussah, gleich als ob die gütige Mutter Natur

den unverschämt nackten Marmor, die üppigen Büsten, die
ungezogenen Torsos Hütte keusch und schüchtern verhüllen
wollen. Und dann das Gebäude erst selbst! Hier auf die
Terrasse hinaus war die eigentliche Front und von hier aus
wurde mir erst die ganze Eintheilung dieses interessanten Be-
sitzes klar. Tie Mairie mar augenscheinlich ein kleines
Schlößchen, links zog sich das Terrain noch weiter den Berg
hinauf und dort mußte das eigentliche Herrenhaus liegen,
man sah von hier aus in der Höhe Thürme ragen und weit-
gestrecktes Gemäuer durch das üppige Grün des Baumwuchses
hervorschimmern. Viel, viel Reichthum mußte einst da ge-
herrscht haben, denn allüberall traten mir die Spuren üppig-
ster Verschwendung entgegen, namentlich aber an dein kleinen
Schlößchen, dessen Fassade, ein wahres Bijou reicher Renais-
sance, mich lebhaft an die Abbildungen erinnerte, die ich von
Fontainebleau uud vom Louvre gesehen hatte.
Was war das für eine Zeit, die so bauen, so verschwen-
den konnte! Wie rankten da die üppigsten Frucht-, Blumeu-
und Laubgcwinde iu- uud durcheinander, welche herrliche
Köpfe, welch' üppige Büsten, welch' reizende Figuren wuchsen
da aus dem Stein heraus, wie war das Alles uoch so lebens-
froh, trotz der Verwüstung uoch so frisch, noch so göttlich genial
und unverschämt! Welcher Reichthum unserer Aermlichkeit
gegenüber, welche Poesie dort, welche Nüchternheit in unfern
Bauten! Wahrlich, hier fehlten nnr die Kavaliere Franz I.
und Heinrich II. und die schönen üppigen Frauen der da-
maligen Zeit, um ein Paradies zu vollenden, als dessen
schönster Engel jeden Augenblick eine Tiana von Poitiers aus
dem Gebüsch treten konnte.
Der brave Konduktenr störte mich in meinen historischen
Erinnerungen. Er brachte unsere Fleischration angcschleppt
und wir machten uns jetzt an das weniger poetische Geschäft
der Zubereitung unseres Abendessens. Zuerst versicherten wir
uns der Obrigkeit von Ecrouvcs, indem wir dieselbe zu dem
Diuer, das erst zubercitet werden sollte, feierlichst einludeu.
Dadurch erweichten wir das Herz des hohen Beamten so, daß
es keiner großen Mühe bedurfte, um von ihm einige Kar-
toffeln, einiges frisches Gemüse und namentlich frische Eier
qucmtum sutis hcrauszulocken. Dann wurden die Gänge
festgesetzt, ein Theil des Rindfleisches zur Suppe, ein anderer
Theil zu saftigen Beefsteaks bestimmt. Beides anzufertigcn
übernahm mein Reisegefährte, mir blieb es Vorbehalten, einen
Eiersalat nach meiner Erfindung herzustellen, und ich war
bald eifrig dabei, die hartgesottenen Eier zn wiegen und mit
Essig uud Oel zu einem schmackhaften Salat zu vereinigen,
während in dem prächtigen Kamin vor uns die guten Sachen
des Herrn Mitterer schon lustig kochten und brieten.
Zur richtigen Zeit erhoben wir dann die Hände zum lecker-
bereiteten Mahle, das die hohe Obrigkeit von Ecrouvcs, die
seit längerer Zeit nichts gegessen zu haben schien, mit einigen
Flaschen trefflichen Extraweiues verschönerte. Das herrliche
Getränk wirkte merkwürdig rasch, der alte Uhu, der sich mit
Herrn Mitterer auf das Lebhafteste telegraphisch zu verstän-
digen suchte — obwohl ich nach Kräften dolmetschte — er-
klärte bald, wir seien die liebenswürdigsten Offiziere der
deutschen Armee.
Das that wieder meinem Kondukteur, dem es wohl uoch
nie passirt war, für einen Offizier angesehen zu werden, un-
endlich wohl, und er sang mit einer hübschen Stimme eines
jener melancholischen Lieder, mit denen die Fremden in Par-
tenkirchen und Mittenwald regalirt werden.
Die hohe Obrigkeit, deren Nase immer länger, deren Augen
immer runder und größer zu werden schienen, wollte auch
ihrerseits eine musikalische Leistung liefern und krähte uns
ein seltsames französisches Lied herunter, dessen Inhalt mir
leider, weil im Patois jener Gegend gesungen, zum größten
Theil entging. Um so deutlicher war dagegen aber der selt-
same Tanz, mit dem der würdige Beamte seinen Gesang be-
gleiten zu müssen glaubte, und dieser Tanz regte nun wieder
Herrn Mitterer dazu au, uns einen „Schuhplattler" zu liefern,
wie ihn der berühmte Todtengräbcr in Partenkirchen (bekannt-
lich der schönste und beste Schuhplattler im ganzen bayerischen
Hochland) auch nicht besser tanzen konnte. Ich fiel bei dem
komischen Gebühren meiner Tischgenosscn fast vor Lachen vom
Stuhl, und unsere Stimmung hatte den höchsten Grad von
Heiterkeit erreicht, als dieses fidelste Diuer in Feindesland
auf sehr unangenehme Weise unterbrochen uud gestört wurde.
Wir bekamen zwei weitere Mann Einquartierung, Civi-
listen wie wir; die Mützen aus schwarzem Wachstuch mit der
preußischen Kokarde sagten uns, daß die beiden Herren dem
Korps der Armeelieferanten angchörten, der überaus orien-
talische Schnitt der Physiognomieen zeigte die semitische Ab-
stammung uur zu deutlich. Nun gestehe ich ganz offen, ich
habe ein üublo für das Volk Israel. Seine wunderbare
Geschichte, die fabelhafte Poesie des Leidens, die dieses selt-
same Volk entwickelt, hat, das eiserne Festhalten an alter
Satzung und altem Brauch- hat für mich etwas ungemein
Anziehendes und Fesselndes, schönen Jüdinnen bin ich über-
haupt nie feind gewesen, und von meinen liebsten Freunden
gehören einige dem Volke Israels an. Deßhalb kann ich
aber doch eine gewisse Sorte von Juden, die man leider auch
uuter deu Christen häufig genug findet, absolut nicht vertragen,
und einzelne Individuen dieser Spezies, die ich den „renom-
mireuden Börsianer" taufen möchte, wirken auf mich geradezu
als Brechmittel. Die neu angckommenen deutschen Brüder-
waren ausgesuchte Exemplare dieser Gattung und entwickelten
eine Unverschämtheit, die meinen biedern Tyroler', dem sonst
nichts so leicht imponirte, geradezu verblüffte. Sie fielen
nicht nur, ehe wir sie eingeladcn, über die Neste unseres
Diners her, sondern suchten auch ungcnirt in den Schränken
 
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