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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 22.1874

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.62248#0156
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Zllustrirte Welt.

155

der Maine nach weiteren eßbaren Gegenständen, tranken
nnscrn Wein aus und thateu überhaupt ganz und gar, als
wenn sie zu Hause wären. Dabei erzählten sie uns unauf-
gefordert ihre Heldenthaten im dießjährigen Krieg, da gab's
nichts wie blutige Zusammenstöße mit Franktireurs, die sie
mit ihren „Revolvern" (der Eine sagte immer Nevölver statt
Revolver, auch im Siugulier) allein ausgefochteu, in großen
Dörfern hatten sie Beide allein die Scheunen ausgerüumt,
ohne daß die empörten Bauern sich getraut hätten, ein Wort
zu sagen, ja der älteste von ihnen hatte die Unverschämtheit,
mir vorzulügen, daß er die dritte Division des zweiten bayeri-
schen Armeekorps am Morgen des ersten September gegen
zehn Uhr auf einen von ihm entdeckten Weg um Bazcilles
herumgeführt und damit die blutige Einnahme dieses so hart-
näckig vertheidigten Ortes allein möglich gemacht habe. Mich
ekelte ob des dummdreisten Geschwätzes des hohlen Burschen
und ich suchte unter irgend einem Vorwande das Freie.
Draußen flutete ein blaues Mondlicht, das mir den verwil-
derten Garten noch romantischer, noch märchenhafter erscheinen
ließ, als bei Tage. Ich versuchte den Berg dem Schlosse zu
in die Höhe zu steigen und gelangte auch wirklich bald auf
einen Absatz, von dem aus ich auf unsere Mairie herunter
sehen konnte. Hier hinderte aber eine steile glatte Mauer,
welche die nächste Terrasse des Gartens abzuschließeu schien,
jegliches Weiterkommen. Ich ging ein gutes Stück der Mauer
entlang und kam wieder auf ein Rondel, in welchem einst ein
Bassin gewesen sein mußte. Von hier aus ging eine breite
Treppe weiter hinauf, war aber oben von einen: ehemals
vergoldeten Gitter geschlossen. Das braune Moos, das überall
auf den Marmorstufen wucherte, zeigte deutlich, daß die Treppe
lange nicht benutzt war. Unten lagen aus beiden Seiten
riesengroße Sphinxe aus Marmor und schauten mich aus
den erloschenen weißen Augen gespenstisch an, auf die Treppe
fiel das Mondlicht mit einer Klarheit, daß ich jeden Moosflcck
auf den Stufen, jedes Epheublatt, das von oben herunterhing,
deutlich erkennen konnte.
Ich setzte mich auf die unterste Stufe und lehnte den
Kopf an die Figur zu meiner Rechten und ließ meine Blicke
träumerisch hiuausschweifen über die weiten Fluren, die sich
zu meinen Füßen dehnten. Dort unten, tief versteckt im
Grün, lag Toul, deutlich sah ich die viereckigen Thürme der
Kathedrale, vom klaren Sternenhimmel zeichneten sich die
gothischen Ornamente wie zierliches Spitzeuwerk ab. Dort
unten sind nun Tausende von Menschen, denen die Nacht keine
Ruhe, denen jede neu ausgehende Sonne nur neues Leid
bringt, die in stetem Bangen die bleiern dahiuschleichenden
Minuten zählen, immer noch auf Erlösung hoffend. Thörichte
Hoffnung, eitles Wähnen, heute Nacht schon sind unsere Leute
beschäftigt, Tod und Verderben speiende Geschütze auf jenen
Berg, der seine Treppenformation jetzt so scharf von dem
schier goldigen Hintergrund abhebt, auf den Mont St. Michel,
hinaufzubringen, und morgen, spätestens übermorgen früh
schon werden die Granaten ihre feurigen Bogen hinübcrziehen
über das jetzt so friedlich stille Thal, werden brüllend und
jauchzend hineinstürzen in die arme, der Vernichtung geweihte
Stadt, die Häuser zerschmettern und in Braud setzen und die
Menschen unter ihren Trümmern begraben. Wie manches
arme, kleine, unschuldige Kind, das jetzt dort unten zu Gott
betet, ehe cs sich schlafen legt, und dem die Mutter statt des
gewöhnlichen Abendgebetes schon seit Wochen die Bitte um
baldige Erlösung aus Noth und Drangsal der Belagerung
auf die stammelnde Zunge legt, wird übermorgen nicht mehr
beten!
O Krieg, du schrecklichstes der Uebel, o Mensch, du blu-
tigste der Bestien! Jetzt diese unsagbare Ruhe, die auf der
weiten Landschaft liegt, in wenigen Stunden schon das Brüllen
der Feuerschlünde, jetzt das überaus herrliche, alles vergol-
dende, alles deckende, befriedigende und beruhigende Mond-
licht, in wenigen Stunden schon die rasende Flamme, entfacht
von zerschmetternden Geschossen, genährt von Menschenwoh-
nuugeu! O diese Kontraste des Lebens, wie sind sie so grell
und schneidend, und in der Natur ist doch Alles so ruhig und
vermittelt, so harmonisch!-
Kann ich mich doch dem nächtigen Zauber nicht entziehen,
der um mich herum flutet; wie klingende Musik ist dieß Mond-
licht, dessen Strahlen nicht nur Licht und Farbe, sondern auch
Duft und Klang zu haben scheinen. Eine süße Mattigkeit
befällt die Glieder und behaglich dehne ich mich aus an dem
von der Sonne des Tages noch warmen Marmor, dessen
Formen zn schwellen und sich mir auzuschmiegen scheinen. Es
ist wie wenn ich an den: Busen eines Weibes ruhte, aber
der Busen hebt sich nicht, denn er ist von Marmor, die Augen
über ihm öffnen sich nicht, denn sie sind von Stein, und ich
liege in den Armen einer Sphinx. Wie kommt da plötzlich
das Heiue'sche Lied über mich, das ein anderer Dichter, ein
Dichter in Farben — Lossow — ihm so glühend nachmalte:
„Das ist der atte Märchenwald,
Es duftet die Lindenblüte!
Der wunderbare Mondenglanz
Bezaubert mein Eemüthe.
Ich ging fürbaß, und wie ich ging.
Erklang es in der Höhe,
Das ist die Nachtigall, sie singt
Von Lieb' und Liebeswche.
Sie singt von Lieb' und LiebeSweh',
Von Thränen und von Lachen,
Sie jubelt so traurig, sie schluchzet so froh.
Vergessene Träume erwachen."
Soll ich ihn euch erzählen den Traum von Nita Leroux,

diesen so wunderbaren Traum, au den mich heute und hier
Alles, Alles erinnert?! Wie das zusammcustimmt, der Mon-
denscheiu, die duftige Nacht, die Sphinx, das Heiue'sche Ge-
dicht — Alles, Alles!
Und im Grunde ist die Geschichte so einfach! In der
kleinen Stadt an dem großen Strom, an dem ich geboren
bin, wohnte neben uns Haus au Haus eine Frau, die einstens
bessere Tage gesehen haben mußte. Man nannte sie allgemein
die Französin, oder auch die Emigrantin, sie hieß aber Frau
Leroux und hatte, als sie vor laugen Jahren in unsere Stadt
kam, das kleine Häuschen neben dem unfern gekauft. Dort
lebte sie still und zurückgezogen, lediglich mit der Erziehung
ihrer Enkelin Nita beschäftigt, und diese Nita war die Genossin
meiner Jugend. Eigentlich ging sie mit meinen Schwestern
in ein und dasselbe Institut und sie hätte demnach wohl die
Freundin meiner Schwestern sein sollen. Aber denen war sie
viel zu wild und zu unbändig, und sie machte sich aus den
Mädchen ihres Institutes gar uichts und verkehrte viel lieber
mit uns Buben. Es war ein seltsames Kind. Häßlich,
wenn ich mich recht erinnere, nur hatte sie ein paar Angen
im Gesicht, die wie Feuerflammen loderten, wenn sie bös war,
aus denen aber — so kam es mir wieder vor — eigentlich
die ganze, so seltsam bewegte und leidenschaftliche Seele dieses
eigenen Kindes strahlte unsägliche Güte, wein: sie gut war,
flammendes Interesse, wenn sie einer Sache zuhörte, die sie
ergriff, Abscheu, Haß und Verachtung, wenn sie Jemanden
nicht liebte, was nur zu oft vorkam — Alles, Alles.
Lang aufgeschossen, mager, aber unglaublich kräftig wie
sie war, glich sie mehr einem Knaben, als einen: Mädchen;
nie habe ich sie mit einen: Strickzeug oder einer weiblichen
Arbeit in der Hand gesehen, aber sie kletterte mit uns in die
höchsten Bäume, sprang über den tiefsten Graben, und wir
hatten einen gemeinsamen Freund an dem Stallmeister des
Fürsten von T., der in unserer Heimat residirte, und der hatte
uns Beide reiten gelehrt, der Stallmeister nämlich, nicht der
Fürst, und gab uns jetzt unbesorgt die wildesten Pferde.
Meine innige Freundschaft zu Nita hatte eigentlich einen ganz
sonderbaren Anfang genommen und daran war meine Schwe-
ster schuld. Diese, damals ein unausstehlicher Backfisch von
zwölf Jahren, hatte eines schönen Tages sich bemüßigt gefun-
den, der Nachbarin Vorwürfe über ihr wildes Benehmen zn
machen, sie sei jetzt doch schon ein großes Mädchen und für
ein solches passe diese wilde Unweiblichleit nicht mehr. Rita
Leroux hatte zuerst gelacht, dann replizirt, endlich war es
zwischen den Beiden zu einem argen Wortwechsel gekommen,
und meine Schwester ließ sich leider beigehen, die andere
junge Dame „eine garstige, schwarz-gelbe Katze" zu nennen,
worauf Fräuleiu Nita kürzen Prozeß machte, meine Schwester
bei ihrem langen Haar ergriff, über eine Bank zog und gotts-
jämmerlich durchprügelte. Natürlich kam das ganze Institut
in Allarm, die frommen Schwestern eilten in corpore, die
Oberin an der Spitze, herbei, um die Streitenden zu trennen,
und nach Anhören beider Parteien wurde Nita verdammt,
eilte Woche hiudurch täglich eine Stunde lang mit dem „Dia-
dem" auf Holz zu kuieen*), und meine Schwester um Ver-
zeihung zu bitten, auch obendrein noch der Frau Oberin für
die empfangene gnädige Strafe die Hand zu küssen. Das
„Diadem" war aber eine große papierene Mütze, ungefähr
anzuschauen wie eine bischöfliche Mitra, auf der in großen
Buchstaben irgend eii: Eigenschaftswort steht, das die Absicht
hat, die Trägerin dieses seltsamen Schmuckes zu kompromik-
tiren. In diesen: Fall stand auf der einen Seite des Diadems
„unweiblich", auf der andern Seite „jähzornig" und oben
quer darüber noch „roh und gewaltthätig". Nita erklärte,
sie werde weder das Diadem tragen, noch täglich auf Holz
kuieen, auch meine Schwester nicht um Verzeihung bitten, an:
allerwenigsten aber sich bei der Oberin für die gnädige Strafe
bedanken, denn die Strafe sei eine ungerechte und müsse
eigentlich meine Schwester und nicht sie treffen, denn meine
Schwester habe sie zuerst beleidigt. Und als die Nonne mit
den: Diadem kau: und es den: jungen Mädchen aussetzen
wollte, da geschah das Entsetzliche, daß Nita Widerstand lei-
stete; als sie nun von zwei zur Exekution herbeigezogenen
Laieuschwcstern zum Niederknieeu gezwungen werden sollte,
da stieß das wilde Mädchen mit übermenschlichen Kräften die
Laienschwestcrn bei Seite, riß sich das Diadem vom Kopf,
warf es der Oberin in's Gesicht, nannte diese eine M'auck-mcrc
ein ckiabko und sprang die kleine Wendeltreppe zum Thurm
der Klosterkirche hinauf, die sie hinter sich in's Schloß warf.
Tie Oberin war ob des ungeheuren Frevels in Ohnmacht
gefallen; als sie wieder zu sich gekommen, glaubte sie, daß
ihre Energie gegenüber dem wilden Mädchen nicht ausreichen
werde, und sie schickte daher zum Beichtvater des Klosters, der
zugleich Schulinspektor war. Dieser, der alte Domherr von
L., eii: sanfter und würdiger Greis, ließ zuerst die in's Schloß
gefallene Thür von einem Schlosser aufbrechen und beorderte
daun die beiden Laienschwestcrn hiuaufzusteigen und die kleine
Verbrecherin herunterzuholen. Diese verschwanden auch im
Düster der Treppe, gleich darauf entstand aber ein furchtbares
Gepolter und die Laieuschwestern kamen schreiend zurück und
meldeten, daß der „kleine Teufel" mit Ziegelsteinen und Brett-
stücken herunterwerfe und ohne Lebensgefahr Niemand hin-
aufgehen könne. Sie habe überdies: erklärt, sie werde den
Thurm in Brand stecken, sie habe eine große Schachtel Schwe-
felhölzer bei sich. Auf diese Kunde zogen sich die Nonnen
mit dem Beichtvater zurück und beriechen auf's Neue, was
zu thun sei.

*) Eine in den Klosterschulen sehr belichte Strafe, bei welcher der
Misjethäter auf einem Scheit Holz knieeii muß.

Endlich war der Entschluß gefaßt, der Beichtvater selbst
ging muthig auf die verhäuguißvolle Treppe zu, doch erstieg
er, als sich oben ein verdächtiges Geräusch hören ließ, nur
die erstell paar Stufen, dann rief er hinauf:
„Kleine Leroux, hörst Du mich, und weißt Du, wer ich
bin?"
Von oben herunter kam die Antwort: „Ja, Hochwürden,
ich erkenne Ihre Stimme."
„Wirst Du nach meinen: weißen Haupte auch mit Steinen
werfen, wenn ich hinaufsteige, Dich herunterzuholen?"
„Nein, Hochwürden, ich werde nicht nach Ihnen werfen,
aber ich springe über die Gallerie des Thurmes in den Hof
hinunter, wenn Sie herauf kommen. Dem: ich lasse mich
nicht mißhandeln."
„Ich bitte Sie, Hochwürden, gehen Sie nicht weiter, ich
kenne dieses schreckliche Mädchen, sie thut, was sie gesagt, und
springt hinunter," flehte die Oberin.
Darauf wurde eine ueue Berathung gehalten und das
Endresultat derselben war, daß Nita Leroux versprach, gut-
willig herunter zu kommen, wenn ihr zwei Bedingungen durch
das Wort des Beichtvaters versichert würden: zuerst voll-
ständige Straflosigkeit für die Vergangenheit und sofortiger
Austritt aus dem Institut; Stipulationen, die natürlich von
der andern Seite mit Freuden erfüllt wurden.
So endigte ein Vorfall, der in so lange das Stadtgespräch
bildete, bis sich ein hoher Beamter erschoß und damit für
neuen Stoff zum Klatsch sorgte.
Wie sich Rita mit ihrer Großmutter verständigte, vermag
ich leider nicht anzugeben; Thatsache ist, daß sie das Institut
ferner nicht mehr besuchte, sondern theils von ihrer Groß-
mutter selbst, theils von zwei Lehrern Unterricht erhielt. Ich
hatte mich früher um das wilde Mädchen nicht sonderlich ge-
kümmert, obwohl uns die Nachbarschaft der beiden Gärten,
die sogar durch eine Thür nut einander verbunden waren,
häufig zusammenführte. Seit jenem Vorfall in: Institut der
englischen Fräulein war mir jedoch Rita ungemein interessant
geworden. Mein weicher, — oder richtiger gesagt, weichlicher
Charakter beugte sich vor dieser Energie, die für mich etwas
unsäglich Fesselndes hatte, und bald cxistirte für mich kein an-
derer Umgang mehr als Nita. Wir lernten zusammen, wir
liefen zusammen in den Wald, wir ritten zusammen in der
Reitbahn des Fürsten, und wenn irgend möglich, auch weit,
weit hinaus in's Freie, obwohl dieß streng verpönt war.
Dann wurde Nita krank, schwer krank, es hieß, sie habe den
Typhus, und mir wurde streng verboten, zu ihr zu gehen, weil
die schlimme Krankheit anstecke. Ganze Nächte saß ich da
unter ihrem Fenster und weinte, daß ich nicht zu ihr durfte.
Das ging so eine Woche fort und ich fühlte, daß ich selbst
krank werde, wenn ich sie nicht wiedersehe. Da kau: es in
einer Hellen Mondscheinnacht, wie diese hier, wie ihr starker,
energischer Geist über mich; ihr Fenster stand offen, es war
in: ersten Stock, ein Weinspalier ging hinauf. Im Nu war
ich droben bei ihr, wenn auch die dünnen Latten krachten und
theilweise brachen. Aber sie erkannte mich nicht, denn sie lag
im schweren Fieberschlaf. Als meine geängstigten Eltern:, die
erst am Morgen meine Abwesenheit bemerkt hatten, da ich
mein eigenes Zimmer bewohnte, nach nur suchen ließen, fand
man mich auf Rita's Kopfkissen eingeschlafen. Von da ab
ließ man mich ruhig zn ihr gehen nnd an meinem Arn:
machte si^ die ersten Schritte, ich rollte ihren: Stuhl an's
Fcuster, damit sie die herrliche Sommerluft athmen konnte,
und da konnten wir Beide stundenlang einander gegenüber-
sitzen, sie schaute hinaus wie in unendliche Weiten und mein
Blick ruhte auf den: kranken, blassen, unschönen Gesicht des
jungen Mädchens aus. Sie erholte sich daun rasch und unser
altes Leben in Wald und Flur ging bald wieder von Neuen:
au, — da kam der erste große Schinerz meines Lebens.
Eines schönen Morgens hieß cs: Frau Leroux und die
wilde Rita sind fort und kehren nimmer wieder, und es war
wirklich so — sie waren fortgezogen und Rita hatte mir nicht
einmal Lebewohl gesagt. Wenig Hütte gefehlt und ich wäre
damals krank geworden vor lauter Kummer. Ich merkte bei
der Trennung erst, wie sehr mir eigentlich das seltsame Kind
au's Herz gewachsen war, und ich weiß noch recht gut, wie
ich jeden Tag.oft zwei- und dreimal in dei: Wald zu unserem
Liebliugsplätzchen lief, weil ich immer meinte, sie müsse da
sein. Und sie war niemals da. Dann konnte ich mich Hin-
setzei: und ihren Namen rufen immer fort und fort, und wenn
dann auf meine innigsten Bitten nie und niemals eine Ant-
wort kam, alle meine Rufe niemals ein Echo fanden, dann
warf ich mich in das Moos und weinte, weinte, weinte, daß
ich zuweilen meinte, ich müsse mich todt weinen. — Ach man
ist doch recht kindisch mit vierzehn Jahren und mit der ersten
Liebe im Herzen!
Das Gymnasium und später die Maturitätsprüfung sind
aber gute Heilmittel gegen alle vorzeitige Liebe, die übergroße
Sehnsucht erlosch ii: meiuein Herzen und wenn ich auch das
Bild des bleicheu, häßlichen Kindes mit den großen Augen:
uie ganz aus dem Gedächtnis: verlor, so verblaßte es doch
recht sehr.
Die Univcrsitätsjahre, namentlich auch das eiue Jahr-
Soldat, das ich abdieueu mußte, drängte:: Rita's Bild noch
mehr in den Hintergrund, und als ich erst den großen schlim-
men Schritt that, das Brodstudium bei Seite und mich in
die Arme der freien Künste und der Publicistik warf, da
lernte ich so manche schöne Frau kennen und gedachte kaum
mehr meiner Schülerliebe.
Da rief man mich an das Feuilleton einer großen Zeitung
nach Wien; ich fand dort eine Wirksamkeit, die ganz und gar
meinen Wünschen entsprach, nnd fühlte mich sehr, sehr glücklich
 
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