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ILLustrirte Welt.

431

Io vermittelt. Von 363 Tauben trafen allerdings nur 57
in ihren Schlägen zu Paris wieder ein. — Gegenwärtig be-
ziehen pariser Journale die Nachrichten aus Versailles Uber
die Sitzungen der Nationalversammlung mittelst Brieftauben,
nicht ohne Erfolg. Der National z. B. zahlt dafür 30 Fran-
ken täglich; er unterhält 10 Brieftauben, welche 5 Depeschen
in doppelter Ausfertigung überbringen können; sie legen die
Strecke in 15 bis 20 Minuten zurück.
Während der Zeit vom 23. September bis 22. Januar
wurden 65 Ballons abgelassen. Davon geriethen fünf in
die Hände der Sieger, vier gingen in Belgien, drei in Hol-
land, zwei in Deutschland (bei München und Wetzlar) und
einer in Norwegen nieder. Nur zwei find spurlos verschwun-
den, wahrscheinlich fielen sie in's Meer; in Port Natal an
der Südostspitze von Afrika fand man im Herbst 1873 in
den Zweigen eines Baumes die Ueberreste eines von der
französischen Regierung abgesandten Luftballons. Die auf
die Ballons gerichteten Kugeln der Preußen, berichten die
pariser Luftschiffer, gingen etwa 8—900 Meter hoch, und
wir mußten uns in eine Region von 1,100 Meter erheben,
um vor ihneu sicher zu sein. Die erste Fahrt über die deutschen
Linien hinweg machte Tissandier am 30. September 1870,
also acht Tage nach der Einschließung. Er kam bei Dreux
herunter. „Mit freudiger Genugthuung," sagt er, „gab ich dem
Postmeister in Dreux meine Depeschen. Da liegen vor mei-
nen Augen an die 30,000 Briefe aus Paris. 30,000 Fa-
milien werden dem Ballon danken, der ihnen, hoch über
Wolken hinweg, Kunde von den Belagerten gebracht hat!
Welche Freudenthrünen bergen diese Briefbündel! Welche
Romane, welche Geschichten, welche Tragödien mag die grobe
Hülle des Postsacks umschließen!" Am merkwürdigsten war
wohl die Reise des Ballons Ville d'Orleaus, der bis Liffjeld
60 Meilen nördlich von Christiania verschlagen wurde. Nolier
und Dechamps, welche am 24. November 1870 bei eiugetre-
tener Dunkelheit in demselben von Paris aufgestiegen waren,
kamen in eine starke Windströmung; sie hörten nach mehreren
Stunden Fahrt ein wunderbares Geräusch unter sich, und
erkannten bei Tagesgrauen zu ihrem Schrecken das Meer,
welches sich unübersehbar weit dehnte. Sie hielten es für
den Ozean; es war die Nordsee. Alle Signale, welche sie
den ab und zu auftauchenden Schiffen gaben, blieben ohne
Erfolg. Dann umhüllte sie ein dichter Nebel, während sie
das Meer noch rauschen hörten. Sie hatten mit ihrem Leben
abgeschlossen. Da stieß die Gondel plötzlich an den Wipfel
einer Tanne; sie kamen auf ein Schneefeld, 60 Meilen nörd-
lich von Christiania zur Erde, wo sie sich Bauersleuten, die
eine ihnen ganz unbekannte Sprache redeten, gegenüber be-
fanden. Man konnte sich erst gar nicht verständigen. „Da
kam ich," sagte Rolier, „auf den Gedanken, die Form unseres
Ballons, der weitab im Walde liegen geblieben war, auf ein
Stückchen Papier zu zeichnen, und glücklicher als Dumas,
welcher einst in einem holländischen Wirthshause dem Kellner
einen Champignon aufzeichnete und dem man darauf einen
aufgefpannten Regenschirm brachte, gelang es uns, den guten
Leuten die Situation durch dieses Hülfsmittel begreiflich zu
machen." Der Ballon hatte in 15 Stunden 180 geographische
Meilen zurückgelegt, und war mithin mit der doppelten
Schnelligkeit unserer Kurierzüge gesegelt. Es ist dieß zugleich
die weiteste Landreise, die bisher im Ballon ausgesührt wor-
den, allerdings unfreiwillig. Bei dem berühmten englischen
Luftschiffer Green, dessen sämmtliche Fahrten glücklich abliefen,
war es dagegen Absicht, im Jahre 1836 eine längere Fahrt
mit Ueberschiffung des Kanals zu machen. Er kam in 16
Stunden von London bis Weilburg in Nassau. Flammarion
uud Godard legten 1867 eine Nachtreise von Paris bis in
die Gegend von Solingen zurück und brauchten für diese 70
deutsche Meilen lange Strecke 12^/z Stunden. Die erste
weitere Luftreise hatte übrigens Garnerin ausgeführt, der am
19. August 1809 um 10 Uhr Abends in Paris aufstieg und
am andern Vormittag in Aachen landete. Die erste Nacht-
reise unternahm Testu am 18. Juni 1785; er kam 36 Meilen
von Paris glücklich zur Erde. Wegen der Feuersgefahr bleibt
es immerhin nicht ungefährlich, bei ungedeckter Gondel Licht
anzuzünden. Um bei den Nachtfahrten die Instrumente ab-
zulesen, bediente sich Flammarion einer kleinen hohlen Krystall-
kugel, in welche er Leuchtwürmer eingeschlossen hatte. Die
Nachtfahrt Nadar's mit dem Goant vom 18. Oltober 1865,
die wohl noch in Aller Erinnerung ist, nahm wegen der un-
glücklichen Landung, welche Beinbrüche und sonstige Verwun-
dungen verursachte, kein gutes Eude, obwohl der Anfang sehr
günstig gewesen war. Der Ballon, dessen mit acht Personen
besetzte Gondel zwei Etagen hatte, stieg um sechs Uhr Nach-
mittags auf dem Marsfelde zu Paris auf uud kam in einer
Nacht bis Nienburg in Hannover, wo dann das Schleifen
bei der Landung vor sich ging, weil der Thau der Nacht
alle Stricke ungefügig gemacht hatte, namentlich die des
Ventils.
Im Ganzen liefern diese Thatsachen den Beweis, daß man
im Stande ist, mit dem Ballon längere Reisen zu uuterueh-
men. Die Schnelligkeit und Richtung hängen zur Zeit noch
freilich ganz vom Winde ab.
Wir müssen hier abbrechen. Da unsere Absicht ist, nur
dem Leser zu zeigen, auf welche Weise der Autor seine Auf-
gabe löst, in welcher Art und in welchem Ton er schreibt;
so glauben wir, daß auch durch obigen Abschnitt genügend
deutlich zu erkennen ist, wie reichhaltig dieser Vortrag ist und
avie von dem Verfasser in gedrängter Kürze ein außerordent-
lich anschauliches Bild des Weltverkehrs gezeichnet wird.

Unsere Nilder.

Acrwittwet unü liinäeelo8.
(Bild S. 405.)
Es sind jetzt fünfunddreißig Jahre her, als sie, die damalige
Marie Bluhme, anfing, ihren Lebenstraum zu träumen, als sie be-
gann .zu dein schönen, hochgewachsenen wind- und wettergebräunten
Seekapitän hinaufzublicken, der ihr eine Zeitlang allmorgendlich
begegnete. Wie wunderbar, daß er auch auf sie hinabblickte, auf
die kleine blonde Marie, wie sich die Augen fanden und nun von
Herzen zu Herzen solch' eine märchenhafte, stille Telegraphie sich
entspann! Wie es sie dnrchbebte, als er zum ersten Mal ihre
Hand ergriff, welch' ein ahnungsvoller Schauer ihre Seele durchzog,
als er Worte der Liebe zu ihr sprach, welch' eine hoffnungsvolle,
bange Stimmung sie ergriff, als er mit ihr, der so lieblich ge-
schmückten Braut, vor den Altar trat! Was hat sie Alles erwartet
vom Leben, von ihrer Ehe, welch' eine Welt der lieblichsten Bilder
entwickelte sich vor ihrem inneren Auge, was erhoffte, plante,
durchdachte, wünschte, erwog sie Alles und was hat sich ihr erfüllt!
Einsam sitzt sie jetzt, grau das Haar, schwach das Auge, still das
Herz, wehmüthig der Sinu, in ihrem Stübchen. Was hat sich von
all' ihren Träumen erfüllt? Kinder hat sie niemals gehabt, ihr
geliebter Mann ist früh gestorben. . . Entschwunden ist ihr das
Leben wie ein Traum, unter den Händen zerflossen wie ge-
träumtes Wasser, und nichts, gar nichts ist ihr geblieben von
Allem, als ihr weißes Haar, ihr stilles Herz, ihr Stübchen und
ihre alten, alten Möbel. Und wie lange wird's noch währen, dann
ist dieß Alles auch dahin gegangen, dahin wie ihr Leben! Es ist
traurig, so gar keine Spuren seines Lebens zu hinterlassen, aber
es gibt doch eine Versöhnung bei diesem Schicksal und die ist, seine
Pflicht gethan, seinen Gatten geliebt und seinen Mitmenschen, so viel
es möglich war geholfen zu haben. So denkt auf ihrem alten
Lehnstuhl, die alte Hauspostille in den zitternden Händen, die alte
verwittwete und kinderlose Marie Ottensen, geb. Bluhme, die vor
45 Jahren den schmucken jungen Seekapitän, dessen Namen sie jetzt
trägt, heirathete. Diese kleine Geschichte haben wir aus dem hübschen
Genrebilde der Kronprinzessin des deutschen Reiches, der Prinzessin
Viktoria, welche bekanntlich auch vortrefflich empfundene Szenen
aus dem Soldatenleben im letzten Kriege gemalt hat, herausgelesen.
Unsere Leser werden wohl dem Bilde anmcrken, daß es eine Geschichte
erzählt, das beste Lob, welches man einem Genrebilde zollen kann,
nnd unsere Andeutungen sie veranlassen, das Bildchen schärfer zu
betrachten nnd die Geschichte weiter zu entwickeln und an der Hand
der Figur und ihrer Umgebung die speziellen Einzelnheiten in dieser
uachzutragen.

Ekfenbemmarkt in Graklmmtown.
(Bild S. 408.)
Grahamstown ist die Hauptstadt Albanys, eines der östlichen
Distrikte der Kap-Kolonie Englands in Westafrika, wo eben der
Aschantikrieg seinen sehr unsicheren Abschluß gefunden hat. Dieser
Ort ist das Hauptquartier der Truppen und in vieler Hinsicht die
Hauptstadt uud der Sitz des Gouvernements für die östlichen Di-
strikte uud die Grenzen. Die Stadt hat einen ganz eigenthümlichen
Charakter; bewohnt von römischen Katholiken und Protestanten,
welche mancherlei Nationalitäten und Himmelsstrichen angehören,
kann sich dieser weltabgelegene Ort rühmen, Kirchen beider Kon-
fessionen, Kapellen für mancherlei Sekten, eine Lateinschule und
einige gewöhnliche Schulen zu besitzen, ferner eine öffentliche Biblio-
thek, ein Museum, Bank, Gerichtshof und große Kasernen.
In ihrer Bauart macht sie den Eindruck einer englischen Stadt,
in welcher einzelne Stadttheile einen spezifisch holländischen Charak-
ter zeigen und wo die Straßen sich äußerst genau rechtwinkelig
schneiden. Trotzdem ist die Stadt unregelmäßig, willkürlich gebaut
mit Hellen Straßen, in denen Haus am Haus sich Vcrkaufslokale
und kleine Laden reihen, die voll der mannigfaltigsten Maaren sind,
überhaupt ist Grahamstown ein bedeutender Verkehrs- und Handels-
platz. Unser Bild gibt eine Ansicht vom Elfenbcinmarkt in dieser
originellen Stadt. — Hier ist dann eine gewaltige Masse dieses
kostbaren Stoffes auf den Boden gebreitet, riesige Zähne, von denen
die Elephantenweibchenzähue bis zu 30 Pfund, die Münnchenzähne
von 50 bis 90 Pfund Gewicht haben. Das Pfund kostet hier bei
gewöhnlichen Preisen fast zwei Thaler; bei Prachtzähnen, die 153
bis 163 Pfund wiegen, wird ein besonders hoher Preis gefordert,
bis zu sechs auch zehn Thaler. — Andere Theile des interessanten
Marktes bieten wieder neue fremdartige Handelsprodukte dar, so
Planwagen, Fellmäntel, mehr oder weniger kostbar, — dann Felle
von Leoparden, Panthern, Schakalen und Wildkatzen, ferner sind
dort haufenweise Alligatoren- und Schlangenbälge, Haufen Büffel-
hörner, solche von Gudus und die wellenförmig aufsteigenden tief-
schwarz glänzenden der Säbelantilope — dann auch viel Manu-
fakturgegenstäude der Eingeborenen, wie Holzlöffel, Keulen, Bogen,
Pfeile, Zeltdeckeu nnd Anderes mehr. — Genug, ein Markt, der
für den Europäer ebenso fremdartig, echt afrikanisch, wie origi-
nell ist.

Im Atelier.

(Bild S. 409.)
Frau Petersen aus Hamburg, eine reiche junge Wittwe, hatte gehört,
daß aus dem Süden Deutschlands ein berühmter Maler mit der
letzten Mallepost über Hannover angckommen, der sein Atelier
in Blankensee aufgeschlagen. Frau Ottilie Petersen hat ferner
erfahren, daß der Mann stattlich, schön, ein ausgezeichneter Porträteur-
aber ein großer Frauenverächter wäre. Bisher hatte sie für den
Maler kein übergroßes Interesse gehabt, seitdem sie ihn aber einmal
gesehen, wie er mit düsterer Miene und so gcheimnißvoll ernst und
verschlossen auf der Promenade an der Alster gewandelt — von

dem Moment an prägte sich das Bild dieses Mannes ihr ein,
und als sie nun gar gehört, daß er ein Weiberfeind, packte Frau
Petersen eine unbezwingliche Lust, in die Höhle dieses Löwen zu gehen,
nm theils ihre brennende Neugierde zu befriedigen, theils aber auch
ihre, der reichen, jungen schönen Wittwe Petersen, Reize bei diesem
Verächter ihres Geschlechtes zu erproben. Da Herr C.. .
Porträtmaler, lag nichts Auffälliges darin, in sein Atelier zu
kommen, und so führte sich denn Frau Petersen ein als lebhafte
Bewundererin seiner Porträtirkunst und von dem heißen Wunsche
beseelt, von seiner Hand ein Bild ihrer schlanken, hübschen Person
zu haben. Der Maler empfing die Dame freundlich und gehalten —
er malte sie in einer Landschaft wandelnd, wie sie es wünschte —
jedoch sprach er wenig, lag fleißig seiner Arbeit ob, schaute die
hübsche Wittwe nur einzig und allein mit den Augen des Dialers an,
so daß schließlich Frau Petersen innerlich sehr ungeduldig wurde
und oft schwer seufzte. Der Herr Maler lächelte dann, seiner
Arbeit zugekehrt, vor sich hin und vollendete sein Kunstwerk, —
aber er kannte Frau Peterseu's nordische Zähigkeit nicht, sie wußte
stets Vorwäude zu finden, noch nach beendigter Sitzung ein Viertel-
stündchen bei dem so spröden, interessanten Mann zu bleiben, nnd
der Künstler begann zuletzt die hübsche, unternehmende Wittwe
weniger aufdringlich zu finden. Er fing an jetzt zum Entzücken
der Fran Petersen den Galanten zu spielen, und als er sie einmal
fast vor dem Abschluß der Sitzungen bat, ihm durch ihre holde
Gegenwart sein Frühstück zu verschönen, blieb Fran Petersen ganz
selig — aß mit den spitzesten Fingern, trank mit dem zierlichsten
Mundspitzen und machte Aeuglein so süß, daß die Malagatraubeu
Essig dagegen waren. Herr Maler C. . . schenkte Frau Petersen
fleißig ein und überlegte, wie diese zierliche, nette, muntere Gestalt
sich wohl als Hausfrau in seinem Wien machen würde, und hierbei
weilte sein Blick auf der schöngeformten weißen Hand seines
vis-a-vis-— — —
Und der Schluß dieser Geschichte — die wird dein geneigten
Leser unser Bild zu Ende erzählen. Er ist genau so, wie eiu fröhlicher
Leser und eine heitere, liebenswürdige Leserin ihn als sehr natürlich
finden.

Die Falirenjagll in Japan.
(Bild S. 410.)
Den ausführlichen Text zu diesem Bilde finden unsere Leser
ans Seite 420.

Pvststation in einem Gebirgsäorfe.
(Bild S. 417.)
Unsere Zeit ist die Zeit der Eisenbahnen; noch vor fünfzehn
Jahren hätte man nicht zu dcuken gewagt, daß das Eisenbahnnetz,
welches bisher so ziemlich auf das Flachland beschränkt war, sich
auch in die Hochgebirgswelt erstrecken werde , und nun wird es
nicht mehr lange dauern, so sind alle die kunstreichen Straßen in
unseren Gebirgsländern für den großen Verkehr außer Kurs gesetzt;
denn allenthalben werden durch die Gebirgsthäler in Salzburg,
Steyermark und Kärnthen und über die Pässe Eisenbahnen gebaut
oder sind solche doch wenigstens projcktirt. Die Beförderung mit
dem Eilwagen wird bald nur mehr in das Reich der Sage ge-
hören und unsere Nachkommen werden die gcmüthliche Art zu
reisen nur mehr aus Erzählungen von Vater und Großvater
oder durch Bilder kennen. Es wird wohl kein vernünftiger
Mensch die hohe Bedeutung der neuen Kommunikationsmittel
unterschätzen, und gewiß wird Jeder iin Interesse des Weltver-
kehrs so viel Eisenbahnen als möglich wünschen, aber eS wird
sich auch Jeder, der einen gewissen Sinn für Gemüthlichkcit und
Poesie hat, mit Wehmuth jener Zeit erinnern, wo man so gemäch-
lich in der Postkutsche auf den schönen Straßen dahinfuhr. Welch'
reiche Staffage bot die Landstraße dem Maler namentlich in jenen
Orten, wo eine große Einkehr oder eine Poststation war; welch'
heiteres bewegtes Bild entrollte sich vor dem Auge, wenn man be-
haglich bei Bier oder Wein auf der Veranda so eines alten winke-
ligen Posthauses saß! Von Weitem hörte man schon das Posthorn
und endlich kommt der mit vier bis fünf Pferden bespannte schwere
Eilwagen herangerasselt, hoch oben stolz auf dem Bocke sitzend der
Postillon in seinem rothen Fracke, den Hut mit dem wehenden Fc-
derbusche auf dem Kopfe uud mit einer gewissen Ueberlegenhcit mit
der Peitsche knallend und sein müdes Gespann zu einer pomphaften
imponirenden Auffahrt anfeuernd. Welch' bewegtes Leben entwickelt
sich dann im kleinsten Dorfe! Die Passagiere verlassen den Post-
wagen, um eine kleine Ruhe und wohl auch einen Imbiß oder
Trunk zu genießen, Postillone in rothen und schwarzen Nöcken mit
Federhut oder dem beliebten runden Hut, und Hausknechte tummeln
sich, hier werden Pferde anSgespannt, dort wieder frische Pferde
herangezogen, Vorgespanne, Fuhrleute mit ihren schweren Gäulen,
Früchten und allerlei anderes Volk, auch Bettler treiben sich da
herum und tragen zur Bewegung des Bildes bei. Wie öde sehen
jetzt dergleichen Ortschaften aus,'kein Fuhrwerk vor dem Gasthofe,
kein Mensch, kein Pferd auf der Straße! Die Bewohner solcher
Dörfer und Flecken, in welchen früher das regste Verkehrsleben
herrschte, sehen, wenn sich der Ort nicht einer besonderen Beliebtheit
als Sommerfrische erfreut, oft das gauze Jahr keinen Fremden und
werden höchstens durch den melancholisch klingenden Pfiff der Loko-
motive an den Weltverkehr erinnert.
Julius Hörmann.

Ein verbüngnißvoller Augenblick.
(Bilder S. 421.)
Es ist etwas Unheimliches, solch' eine Fahrt bei starkem Nebel
auf der See. In tiefe Dämmerung ist das Meer gehüllt, gespenstisch
huschen andere Schiffe an uns vorbei. Immerfort ertönt die
gellende Schiffsglocke und Abend zischen Raketen und Brillant-
feuer in die dicke, schwere, feuchte Luft. Das Dampfschiff geht wie
schleichend seinen Weg; sonst so keck und kühn, unaufhaltsam die
Wogen zertheilend und sich Bahn brechend — muß es jetzt vor-
 
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