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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0264

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national Ku!tur. 5. Die internationale Kultur/ die Anfänge und Anlagen
der Kultur sind schon vor der Menschwerdung vorhanden. Als entscheid
dend für die Entwicklung des Vormenschen zum Menschen dürfte, wie
Klaatsch ausgeführt hat, der aufrechte Gang gelten und das Kind wieder^
holt noch heute diese allmähliche Bntwidklung vom Klettertier aufwärts,
indem die Vorder^ und Hinterextremitäten des Säuglings, noch undifferen^
ziert, beides Greiforgane sind. Als kennzeichnend für den primitiven Men^
sehen gilt die Isolierung, die Isolierung von Stammesfremden und von den
Hordengenossen (S. 74, 75). PsyAologisch läßt sich nach unserer Auffassung
diese Isolierung in dem noch unverminderten Narzißmus des Primitiven,
in der Ablehnung der Außenwelt, in der noch geringen Anzahl seiner
Objektbesetzungen begründen. So wie das Kind auf den Verlust der
stützenden Hülle des Mutterleibes in der Geburt mit einem Angstschrei
reagiert, ist auch für den Primitiven die Außenwelt ängste und unlustbe-
laden. Erst allmählich werden einzelne Teile davon (so das Stammesgebiet)
introiziert. Dem entspricht es auch, wenn die Familie, also eine evident
libidinöse Bildung, als der erste Kristallisationspunkt der überindividuellen
Entwicklung angesehen wird. Merkwürdigerweise rückt Wundt die Erfin-
dung von Bogen und Pfeil bis in die ersten Anfänge neben die Feuerge^
winnung zurück: (S. 77, 80). Andere wichtige Merkmale der primitiven
Kultur sind in der Einfachheit und in der unlöslichen Verbindung der ein-
zelnen Erscheinungen (z. B. Tanz und Gesang) zu suchen (S. 81). Völker,
die in der Ethnologie oft als die Primitivsten gelten, vornehmlich die
Australier, werden schon der Sippenkultur zugeteilt, so daß für die primi-
tive Stufe eigentlich nur die Pygmäen, Pygmaioiden und ähnliche Völker-
splitter übrig bleiben. Aus der Horde entsteht die Sippe, die in Totemis-
mus und Blutrache ihre prägnantesten Ausdrucksformen findet. In der
Vaterfolge sieht Wundt die natürliche Fortsetzung der primitiven Mono-
gamie, ^während die Mütterfolge wahrscheinlich erst eine Wirkung der
Männerverbände ist, die ihrerseits sich als eine spezifische Folge der Sippen-
kultur darstellend (S. 91). Die zentrale Lage, welche die moderne For^
schung dem Totemismus im Leben dieser Stämme zuerkennt, scheint
Wundt jetzt als eine Art Modekrankheit zu betrachten, obwohl er selbst
es war, der vor wenigen fahren noch von einem totemistischen Zeitalter
sprach. Drei Gattungen von Zauberwesen sind für die Sippenkultur charak-
teristisch, aus deren Weiterentwicklung und Kombination alle höheren
Religionsformen und Götterkulte entstehen,- und zwar die Naturdämonen,
die Ahnengeister und die heiligen Tiere, die sich auf totemistischer Grunde
läge entwickelt haben. Im phantasiereicheren Westen herrschen die Nature
dämonen, während dem starren Konservativismus des Ostens das zähe
Festhalten an den überlieferten Formen des Ahnenkultes entspricht. Jeder
Versuch, diese drei Kategorien einheitlich, etwa aus dem Ahnenkult, zu
 
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