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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 3
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Špilʹrejn, Sabina Nikolaevna: Die Entstehung der kindlichen Worte Papa und Mama: einige Betrachtungen über verschiedene Studien in der Sprachentwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0358

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348

Dr, S. Spieirein


wörtlichen Inhalts an das vorausgegangene assoziierte, während
die Kleine, damals zweieinhalb bis drei Jahre alt, nach Ähnlichkeit
der melodischen Konturen assoziierte. Dies konnte nicht von Un-
kenntnis seitens des Kindes herrühren, da es die Texte jedenfalls
inhaltlidi und zum guten Teil wörtlich kannte. Im späteren Alter
fing auch meine Kleine an, nadh Ähnlichkeit des Wortinhalts zu
assoziieren. Bei normalen Erwachsenen scheint in erdrüdcender
Mehrzahl der Fälle die Assoziation, zugunsten des wörtliAen
Inhalts zu überwiegen.
II. Papa und Mama.
Es soll uns im folgenden bloß die Wortsprache beschäftigen,
und zwar die in der Volksmeinung als erste kindliche Worte
geltenden s-Papac und x-Mama^!
Wer hat die Wortsprache erfunden? War es der erwachsene
Mensch oder das Kind? Ist das Kind in der Sprache spontaner
Schöpfung fähig oder eignet es sich bloß die von den Erwachsenen
überlieferte Sprache an, die es entsprechend deformiert? Diese
vielumstrittene Frage ist bis heute noch ungelöst geblieben. Hier
können uns psychoanalytische Erfahrungen Rat bringen.
Die Sprache wird wesentliA aus dem Unbewußten (riAtiger
Unterbewußten) heraus erfunden und das Unbewußte führt uns,
wie Freud und seine SAüler zeigten, stets auf infantile Erlebnisse
und DenkmeAanismen zurüA.
Wir müssen stets daran denken, daß im Kind der Ahne
sAlummert und im Ahnen das Kind, Sollte wesentliA der Er^
waAsene die SpraAe erfunden haben — so hat er sie in ihren
ersten Ursprüngen aus dem kindliAen Stadium seiner Seele ge-
sAöpft. Ob auA das Kind selbst seine SpraAe sAafft oder sie
bloß von BrwaAsenen überliefert bekommt? Diese Frage sollte
meiner AnsiAt naA anders formuliert werden, und zwar: ist das
Kind seiner Anlage naA ein soziales Wesen, welAes ein Mit-
teilungsbedürfnis besitzt? Hat es ein Mitteilungsbedürfnis geerbt
und gehört es redenden Völkern an, so hat es auA ein Spradi^
bedürfnis geerbt, welAes es suAen und erfinden läßth Selbst-
verständliA kommen die BrwaAsenen der kleinen Seele in ihrem
* IA meine hier ^SpraAec im gehräuAiiAen Sinne des Wortes, d. h.
SpraAe ais Mitteiiungsmitte!. Wie wir gieiA sehen werden, ist es die SpraAe
ursprüngiiA niAt.
 
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