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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Breuer, Robert: Fachmann und Kritiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0025

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INNEN-DEKORATION

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der Clou jeder Ausstellung wären. Das Publikum fragt:
wo ist der Unparteiische", nur von dem will er sich
beraten lassen. Selbstverständlich setzt es dabei voraus,
daß diese neutrale Instanz von den Dingen, die vor
Gericht stehen, auch etwas versteht. Und dann kommt
der fatale Haken mit der Verständigung-, die deutsche
Sprak ist eine schwere Sprak. Die Worte sind so zu
sagen auch ein Material, und sie zu beherrschen, be-
darf es einer bestimmten Technik. Aus Worten etwas
zusammen zu bauen, daß es Festigkeit, Gestalt, Prägnanz,
Logik, Rhythmus, Schönheit — Wirkung hat, das ist
nämlich ein Fach für sich und bedarf nicht weniger
der Kenntnisse und bestimmter Fähigkeiten, als etwa
für das Herrichten eines Schrankes oder die Meißelung
eines Denkmals notwendig sind. Diese Exklusivität des
Schreibens, des Aufsätze- und Büchermachens als eines
Spezialfaches, leuchtet vielleicht nicht jedem ohne weiteres
ein. Oho, ruft der Stammtischweise, lernen denn nicht
alle Menschen schreiben, und selbst in der Klippschule
machen sie Aufsätze. Natürlich, guter Freund, wie ja
auch jeder Deutsche zeichnen lernt, wobei nach der
neuen Methode oft sehr nette und respektierliche Blätter
zustande kommen; auch lernen heute viele Stadtkinder
in Ton zu kneten und mancherlei Geräte aus Holz und
Pappe zu machen. Sie sind deshalb noch längst keine
Maler, noch Bildhauer, noch Tischler; aber ebensowenig
ist jemand, der drei Kilometer vom Analphabeten ent-
fernt steht, ein Schriftsteller, ein Literat, wie es ver-
ächtlich heißt. Ja, selbst mancher Studierte braucht
noch längst kein Techniker und Meister des Wortes zu
sein. Es ist aber zwecklos, die beste kritische Meinung
über sich oder über andere zu haben, wenn man sie

nicht auf eine verbale Formel zu bringen weiß. Auf
die Wirkung kommt es an. Darum muß der Kritiker
Schriftsteller sein.

» - *
*

Es hat von jeher sehr wenige Künstler gegeben,
die über ihr Werk, über Kunst im allgemeinen, etwas
Vernünftiges gesagt haben. Meist verkennt niemand
einen Künstler so sehr wie er sich selbst. Man
brauchte sich nur die Mühe zu machen, die Bücher
Lionardos, Dürers oder Feuerbachs durchzusehen,
um an eine Fülle derartiger Irrtümer zu gelangen. Das
Wertvolle an dem, was Künstler über sich selbst sagen,
betrifft weniger die Beurteilung des eigenen Werkes als
die Darstellung, die Analyse des subjektiven Schaffens.
Künstlerbücher haben kritisch nur eine geringe Be-
deutung, ihr Schwerpunkt liegt in der Psychologie, der
Autobiographie. Man denke an Gauguin: Noa-Noa, an
die Briefe von Vincent van Gogh. Was Künstler sagen,
ist immer einseitig, muß es immer sein. Man lese die
Urteile Böcklins, wie sie Floerke mitteilt. Selbst ein
so kluger Kopf wie Fromentin vermag sich bei der
Bewertung der alten Belgier und Holländer nicht von
seiner persönlichsten Liebe und Neigung freizumachen;
und wenn Liebermann etwas spricht oder schreibt, so
ist das stets ein Zeugnis geschliffener Intelligenz, aber
es ist auch stets Liebermann. Nun kann natürlich auch
der Kritiker nicht aus seiner Haut heraus, auch er wird
(Erkenntnistheorie, Horatiol) immer subjektiv urteilen.
Aber die Subjektivität des Kritikers ist nicht im ent-
ferntesten so zugespitzt, so unbedingt wie die des
Künstlers. Die Kraft des Künstlers ist seine
Einseitigkeit; der Kritiker strebt nach mög-

PROFESSOR EMANUEL VON SEIDL. SCHLOSS REHNITZ. STALL-GEBÄUDE.

1909. I. 2.
 
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